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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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und betrachteten den Mond am dunstigen
Nachthimmel. Grillen zirpten.
    „Aber wen schickt man als Mittelsmann
vor?“ überlegte Inge. „Der müßte eingeweiht sein — und äußerst vertrauenswürdig
— und so knallhart im Verhandeln, daß er sich von Hartmut A. nicht übers Ohr
hauen läßt.“
    „Stimmt.“
    „Tarzan, könntest du das nicht machen?“
    Er lachte. „Wenn dein Vater
einverstanden ist, werde ich dem alten Ekel auf den Pelz rücken.“
    „Das wäre Klasse!“ freute sich Inge.
    Sie gingen jetzt durch eine stille
Straße, die von großen Grundstücken gesäumt wurde. In prächtigen Gärten blühte
und grünte, was der Juni hervorbrachte. Elegante Bungalows träumten in der
Nacht. In und vor den Garagen standen teure Autos.
    „Hier ist es!“
    Inge trat in eine Einfahrt.
    Tarzan war noch nicht hier gewesen, sah
sich um und mußte zugeben, daß Bärbels Zuhause keinen Komfort vermissen ließ.
Auf dem Grundstück war ein Tennisplatz angelegt. Hinter der Hecke plätscherte
frisches Wasser in einen nierenförmigen Swimmingpool; und vor der Doppelgarage
standen ein Mercedes und ein Porsche.
    Die Villa, weit zurückgesetzt von der
Straße, war älteren Datums. Hinter etlichen Fenstern brannte Licht.
    Inge klingelte.
    „Bärbel wird sich freuen, wenn sie
hört, daß es geklappt hat. Ich bin gespannt, Tarzan, ob sie...“
    Hinter einem schmiedeeisernen
Gitterchen in der Eingangstür befand sich ein kleines Fenster. Es wurde
geöffnet.
    „Ach, ihr…“, sagte Bärbel. „Moment!“
    Sie schloß das Fenster.
    „Nanu“, wunderte sich Inge. „Sehr
erfreut klang das nicht.“
    „Hm!“ Tarzan hatte den gleichen
Eindruck. Darüber hinaus war es ihm vorgekommen, als hätte Bärbel mit total
verstopfter Nase geredet. Hatte sie Heuschnupfen — oder geheult?
    Die Tür schwang auf.
    „Kommt rein!“ sagte Bärbel. „Prima, daß
ihr kommt. Ich brauche jetzt Trost. Wie gut, daß man Freunde hat, mit denen man
reden kann. Es ist ja eine sooolche Gemeinheit!“
    Schluchzend preßte sie die Hände ans
Gesicht. Ihre Schultern bebten.
    „Um Himmels willen!“ Inge, jäh aus
ihrer fröhlichen Stimmung gerissen, war wie vom Donner gerührt. „Was ist denn
los?“
    „Kommt! Wir gehen auf mein Zimmer!“
sagte Bärbel durch Tränen und ihre Finger.
    O je! dachte Tarzan. Das kann ein
langer Abend werden. Und mein Kletterseil hängt im Weinlaub, wo es hoffentlich
gut hängt. Das große Los bei Inge, Kummer bei Bärbel. Mal hören, worum es geht.
    Er stellte sein Rad neben den Eingang,
nahm Inges Tasche und folgte den Mädchen.
    Inge hatte den Arm um Bärbels Schultern
gelegt. Von hinten sahen sie wirklich wie Zwillinge aus: gleich groß, gleich
schlaksig, die gleiche Frisur — eine verblüffende Ähnlichkeit.
    Tarzan schloß die Haustür. Die Diele
war groß wie ein Klassenzimmer und luxuriös eingerichtet.
    Er ging an einer geöffneten Flügeltür
vorbei und sah in ein noch luxuriöseres Kaminzimmer, wo teuerste Ledermöbel
nicht jedem erlaubten, daß er sich auf sie setzte.
    Ein Herr und eine Dame — vermutlich
Bärbels Eltern — saßen auf hohen Hockern vor einer Hausbar und tranken
gelbliches aus funkelnden Gläsern. Aber es schien nicht zu schmecken. Oder sie
hatten anderen Kummer. Denn einen Hauch von Fröhlichkeit hätte man auch mit der
Lupe vergebens gesucht.
    Bärbels Mutter war schwarzhaarig,
grünäugig, schlank und damenhaft schön. Aber ihre Miene drückte Verzweiflung
aus. Ihre Finger zerknitterten einen Strohhalm.
    Herr Zonker hatte ein freundliches
Gesicht mit energischen Linien. Trotz Stirnglatze wirkte er dynamisch und
sportlich. Ein Ausdruck der Enttäuschung stand auf seinem Gesicht.
    Im Vorübergehen nahm Tarzan das auf.
    Sie bemerkten ihn, blickten her; und er
grüßte höflich. Da sie ihn nicht kannten, blieb er stehen.
    „Ich bin Peter Carsten. Entschuldigen
Sie die späte Störung. Aber Inge will bei Bärbel übernachten. Ich habe Inge
hergebracht, und Bärbel sagte, ich soll noch einen Moment reinkommen.“
    „In Ordnung!“ nickte Herr Zonker. „Bist
du Tarzan?“
    „Das ist mein Spitzname.“
    Er nickte abermals und wandte sich
wieder seinem Glas zu.
    Die Frau hatte Tarzan mit freundlichem
Interesse gemustert.
    Zu ihrem Mann sagte sie leise: „Schlechter
Einfluß kann es nicht sein. Ich verstehe das einfach nicht. Ob wir ihr
vielleicht doch Unrecht tun?“
    „Margot!“ Zonker legte seine Hand auf
ihre. „Gespenster gibt es nicht. Noch geht alles mit rechten Dingen zu. So

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