Die Dornen der Rose (German Edition)
in ihrer modischen Extravaganz zu großen Kupferknöpfen an den Jacken und breiten Aufschlägen geführt hatte, die sich wie Flügel über ihre Brust legten. Zwei hatten einen goldenen Ring im Ohr wie Piraten.
Das Stillsein fiel ihnen nicht leicht. Sie hatten gut gegessen, rochen nach Wein, und einige waren ein bisschen beschwipst. Während sie ihren Gesprächen lauschte, wurde ihr klar, dass jeder einzelne von ihnen schon viele Male hier unten gewesen war. Sie kamen in die Katakomben, weil es für sie ein Abenteuer war, denn es war verboten und gefährlich.
Sie gehörten nicht zu La Flèche. Unbekümmert und offen nannten sie ihre Namen. In ihrer Gegenwart fühlte sie sich alt.
Als sie nach einer Weile immer noch nicht leise waren, führte das Hähnchen sie in eine andere Kammer, wo aus den Seilen und Sprossen die Leiter zusammengebaut wurde, die Jean-Paul für dieses Unternehmen entworfen hatte. Jean-Paul selber kam nur ein paar Minuten später zusammen mit Hawker und drei weiteren dieser jungen Männer und beaufsichtigte alles.
Sie saß weiter mit dem Rücken an die Brunnenwand gelehnt da, während sie wartete und lauschte.
Wieder tauchte der verstohlene Schein abgedunkelter Laternen auf und mit ihnen eine dritte Gruppe von Männern.
Sie näherten sich leise, und nur ihre Lichter verrieten ihre Anwesenheit. Es waren misstrauische Leute, die sie und jeden Winkel der Höhle musterten, ehe sie sich zu zweit oder zu dritt aufmachten, um herauszufinden, um wen es sich bei den fernen Stimmen handelte, die Jean-Paul beaufsichtigte.
Justine gehörte zu ihnen. »Ich habe Freunde mitgebracht.« Sie stand da und runzelte die Stirn. Ein Mann kam zu ihr, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, dann noch ein zweiter. Sie nickte. Die Männer und ihre Laternen zogen sich jeder in weit entfernte Winkel der Höhle zurück.
Keiner von ihnen war gut angezogen, keiner von ihnen lachte oder machte Witze, und keiner nannte seinen Namen. Allerdings rochen etliche nach Wein.
Justine setzte sich zu ihr. »Es sind Schmuggler, aber es sind auch Freunde von mir. Sie sind vertrauenswürdig.«
»Das hatte ich mir schon gedacht. Die Händler von der Küste sind deinen Freunden sehr ähnlich.« Sie reichte ihr die Flasche des Hähnchens. Justine bedankte sich, trank einen Schluck und wischte den Flaschenhals höflich an ihrem Ärmel ab, ehe sie die Flasche zurückgab.
»Wie spät ist es?«, fragte Justine.
»Zwanzig Minuten vor Mitternacht. Ich glaube, die Leiter ist fast fertig.«
Justine nickte.
Sie hatten noch ein paar Minuten Zeit, und so sprach sie aus, was sie verwirrte. »Warum hast du mir Schmuggler gebracht? Ich will nicht undankbar erscheinen, aber ich weiß nicht so recht, was ich mit ihnen anfangen soll.«
»Ich bin mir fast sicher, dass wir sie brauchen werden.« Justine lachte leise.
46
Wollen wir hoffen, dass es klappt. Ich schleppe eine donnernde Herde von Vermutungen hinter mir her .
Doyle ließ die Männer und Frauen eine Schlange durch den Hof bis ins Kloster bilden. Mal berührte er eine Schulter und sagte: »Ganz ruhig.« Dann einen Arm, um zu sagen: »Warte.« Natürlich waren sie verängstigt, schließlich waren sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen worden. Seine Stellvertreter – drei Männer und eine Frau – sorgten dafür, dass in ihrem Abschnitt der Schlange alles ruhig und gesittet war.
Noch fünf Minuten. Er holte die gesunden, jungen Gefangenen aus der Schlange und ließ sie an den Anfang treten. Das waren diejenigen, die sich am schnellsten bewegen konnten. Diejenigen, die die größte Chance hatten.
Zwei Kerzen standen auf dem Rand des Brunnens. Unauffällige Lichtpunkte, die auf der anderen Seite der Mauer nicht bemerkt werden würden. Ansonsten war alles dunkel. Keiner flüsterte. Keiner scharrte mit den Füßen. Man hörte sie kaum atmen. Keine zehn Meter entfernt, jenseits der Mauer, patrouillierten die Wärter.
Die größte Gefahr stellte ein mouton dar, ein Spitzel unter den Gefangenen, der sie verraten würde. Einen hatten sie an Händen und Füßen gefesselt im Zellentrakt gelassen – den Mann, von dem alle wussten, dass er ein Spitzel war. Jetzt hielten alle Ausschau nach weiteren und ließen ihren jeweiligen Nachbarn nicht aus den Augen.
Ladislaus, der polnische Fälscher, hatte eine Uhr. Die Kerze spendete genug Licht, um die Zeiger zu erkennen. Mitternacht.
Der Eimer stand umgedreht neben dem Brunnen. Den würden sie heute Nacht nicht benutzen. Eimer und Kette machten viel
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