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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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zu viel Lärm. Er würde einen raffinierten und leisen Kundschafter herablassen. Einen festen, braunen Faden, mit dem Gärtner ihre Pflanzen hochbanden.
    Hawker hatte keine Zeit gehabt, etwas zu erklären. Er hatte ihm nur das Knäuel gegeben und gesagt: »Kommen Sie um Mitternacht zum Brunnen. Wir werden unten sein. Maggie hat es sich in den Kopf gesetzt, dass sie dort unten auf Sie warten muss.«
    William kannte Maggies Plan. Er kannte ihn so genau, als würde sie neben ihm stehen und ihm alles erklären. Er hätte fünfhundert Jahre in diesem Loch sitzen können, ohne dass er auf die Steinbrüche gekommen wäre. Maggie hatte sofort an sie gedacht.
    Er füllte ein Taschentuch mit Erde und knotete es ans Ende des Fadens. Ein weiteres Taschentuch wurde an dem Faden befestigt, das locker herunterhing und eine große, weiße Fahne abgab. Es gab doch nichts Nützlicheres als Taschentücher. Er ging an Männern und Frauen vorbei, bis er am Brunnen stand und seinen Köder über den Rand in die Dunkelheit hinabließ. Er angelte sich einen Weg nach draußen. Er hoffte, dass sie da unten bereit waren, die Menge in Empfang zu nehmen, die er mitbrachte.
    Er wickelte etwa zehn Meter von dem Faden ab und dann noch einmal zehn, während er sich auf die Erschütterungen im Faden konzentrierte, wenn dessen Ende mit dem gefüllten Taschentuch immer wieder kurz an der rauen Brunnenwand hängen blieb, um dann ruckartig weiterzuhüpfen. Sie ist da unten. Ich lasse den Faden zu ihr hinunter .
    Als der Beutel auf Wasser traf, holte er den Faden ein Stück wieder ein und versuchte es noch einmal. Vielleicht waren sie ja noch nicht so weit.
    Die Zahl der Möglichkeiten, was alles schiefgehen kann, ist einfach unendlich.
    Stück für Stück, ganz langsam und vorsichtig veränderte er die Länge des Fadens. Da merkte er plötzlich, dass jemand den Faden am anderen Ende festhielt, er spürte das Zucken, woran er erkannte, dass jemand sich daran zu schaffen machte. Dann wurde dreimal kräftig gezogen.
    Er holte seine zwanzig Meter Faden wieder ein und dann das Seil, das daran festgemacht worden war. Beim Einholen des schweren Taus, das ans Seil gebunden war, half Ladislaus ihm auf den letzten Metern. Es ging schwer, und das Tau schwankte seltsam. Als es oben ankam, stellten sie fest, dass dicke Jutesäcke um große Eisenhaken gewickelt worden waren. Die Haken legten sie über den Rand des Brunnens. An ihnen war eine Strickleiter befestigt, die in den dunklen Tiefen des Brunnenschachtes verschwand. Kaum hatte er alle Haken festgemacht, spürte er, wie ein Ruck durch die Leiter ging, als jemand begann, daran hochzuklettern. Eine Minute später wurde ein Kopf aus dem Brunnenschacht gestreckt. Hawker. Er kletterte heraus und sah mit finsterer, missbilligender Miene die Schlange aus Männern und Frauen an. »Wegen Ihnen habe ich jetzt zehn Sou verloren«, raunte er. Sein Flüstern war kaum zu hören.
    Der erste Mann in der Schlange war ein Soldat der Vendée. In Paris nannte man ihn einen Verbrecher. Er brauchte keine Hilfe, um über den Brunnenrand zu klettern. Er wusste, wie man Befehle befolgte, und er war schnell. Als Erster, der aus dem Gefängnis floh, war er eine gute Wahl.
    »Ach ja?« Er zählte leise bis dreißig und gab dann dem nächsten Mann das Zeichen, hinunterzuklettern. Nach ihm kam eine Frau. Sie hatte ihren Rock bereits hoch über den Knien geschürzt.
    »Ich habe gesagt, Sie würden ein oder zwei Freunde mitbringen«, flüsterte Hawker. »Vielleicht auch fünf … oder sechs.« Die Frau legte die Hände auf Hawkers Schultern, als er sie über den Rand hob, fand die erste Sprosse und begann hinunterzuklettern. »Jean-Paul hat mit mir gewettet, dass Sie das ganze verdammte Gefängnis leerräumen würden.«
    »Ach.«
    »Ich habe zu ihm gesagt«, und Hawker gelang es, Sarkasmus in seiner Stimme mitschwingen zu lassen, obwohl er flüsterte, »dass Sie so etwas Dämliches nie machen würden.«
    »Wir irren uns alle hin und wieder.« Er gab sein Zeichen, und Hawker streckte den Arm aus, um zu helfen. Der nächste Mann kletterte über den Brunnenrand.
    Sie waren fast beim letzten Gefangenen angekommen, einem verängstigten Mädchen. Hawker schwang sie über den Brunnenrand und ließ sie herunter, doch sie klammerte sich wimmernd an ihm fest. Hawker löste ihre Finger aus seinem Hemd und drückte sie tiefer in den Brunnenschacht. Sie hatte nur die Wahl, entweder nach der Leiter zu greifen oder abzustürzen. Also packte sie die

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