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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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Gesellschaft.
    Aus der braunen Stofftasche, die sie mitgebracht hatte, holte sie ein paar Sachen, um sich zu beschäftigen. Ein Buch. Strickzeug. Man brauchte nicht viel Licht, um Strümpfe zu stricken. Man tat es nach Gefühl und indem man zählte. Die Sonette waren von dem Engländer Shakespeare und ihr so vertraut, dass das Licht nicht so gut sein musste, damit sie sie lesen konnte.
    Sie hatte auch eine kleine Flasche mit Klebstoff, zwei Pinsel und Blattgold dabei. Sie zog die Stiefel aus und begann damit, ihre Fußnägel zu vergolden. Mit dem kleinen Zeh fing sie an, weil sie sich dafür am meisten verrenken musste. Dann kam der nächste Zeh an die Reihe. Es war eine anspruchsvolle Prozedur, die lange dauerte, weil immer erst alles richtig trocken sein musste, ehe sie die nächste Schicht Blattgold auftragen konnte. Sie widmete sich der Aufgabe mit großer Geduld.
    Wenn Guillaume diese Nacht überlebte und fliehen konnte und sie ebenfalls überlebte, würde sie ihn mit ihren vergoldeten Fußnägeln überraschen. Es würde ihn halb wahnsinnig machen vor Leidenschaft. Es würde eine sehr befriedigende Angelegenheit sein, zusammen mit Guillaume im Bett zu liegen, wenn er halb wahnsinnig vor Leidenschaft war. Das war ein Gedanke, der einen auch tief unter der Erde warm hielt.

44
    Im Mansardenzimmer des Bordells lag die kleine S é verine bäuchlings wie ein betrunkener Soldat und schlaff wie eine Stoffpuppe auf dem Bett. Sie hatte höchstwahrscheinlich den ganzen Tag mit Dingen verbracht, die Kinder eben so taten. Im Hintergarten Löcher unter Büschen graben. Würmer essen. Unter die Hufe von Pferden kommen und fast zu Tode getrampelt werden. Ein recht anstrengendes Tagewerk.
    »Ist das in Ordnung, wie sie aussieht?«, fragte Hawker.
    »Ja. Du kannst froh sein, dass sie nicht schnarcht«, erwiderte Justine. »Was ist los, ’awker? Machst du dir Sorgen wegen heute Nacht?«
    »Ich versuche gerade, mir keine zu machen. Irgendwann wird es mir schon noch gefallen, mich im Dunkeln an allem zu stoßen. Dann werde ich dort sonntagnachmittags einen Spaziergang machen.«
    »Da werde ich dich aber nicht begleiten, nein danke. Wusstest du, dass sie alte Knochen in diese Höhlen legen? Das machen sie nur an einer einzigen Stelle des kilometerlangen Höhlensystems, aber ich möchte nicht zufällig drüber stolpern. Man hat die Gebeine von alten Friedhöfen genommen und sie in einer Höhle aufgetürmt. Ich glaube, manchmal stapeln sie sie auch ordentlich.« Sie dachte darüber nach. »Aus irgendeinem Grund ist das noch viel erschütternder. Man schafft sie mitten in der Nacht mit Karren hin.«
    »Du könntest mir alles über diese Stadt erzählen, und ich würde es dir glauben.« All die Jahre hatte er London immer als etwas Selbstverständliches gesehen. Es mochte dort zwar dreckig und klamm sein, und wenn er das nächste Mal dort auftauchte, würde Lazarus dafür sorgen, dass er umgebracht wurde. Aber zumindest wurden die Toten dort nicht wie Holzscheite herumgekarrt. Und außerdem stand man in London auf festem Boden. »Isst du wirklich Eselfleisch?«
    »Nein, aber man weiß ja nie, was für Abenteuer einen erwarten. Ich werde dich vorwarnen, sollte ich vorhaben, dir Esel zu servieren.«
    Doyle würde ihm Eselfleisch zu essen geben. Er wusste es einfach. »Manche Leute essen sich ohne Sinn und Verstand durchs ganze Tierreich. Die würden sogar Greifvögel und Fledermäuse verspeisen, wenn keiner sie aufhielte.«
    »Ich werde dir auch keine Fledermäuse servieren.« Sie säuberte den Tisch, an dem sie gegessen hatten, indem sie die Krümel in ihre Hand fegte und zum Fenster ging, um sie hinauszuwerfen. Es war kein Fitzelchen Essen übrig geblieben. Es gab gutes Essen in Paris – zumindest in den Bordellen.
    Es war ein gut geführtes Haus. Er hatte nur den hinteren Teil davon zu Gesicht bekommen – die Küche, den Stallhof und die Treppe, die zum Boden hinaufführte –, aber alles sah prächtig aus und roch sauber. Die Mädchen lachten viel, auch wenn keine Männer anwesend waren.
    Justine war mehrere Jahre jünger als die Frauen, es war also nicht diese Art von Bordell. Man würde das Kind in Ruhe lassen, das hier auf dem Bett lag. Was man an einigen Orten mit kleinen Kindern machte, drehte ihr den Magen um.
    »Wer kümmert sich um …« Er wedelte mit der Hand Richtung Bett, ohne den Namen auszusprechen. Der Lärm, der von unten heraufdrang, würde sie nicht wecken, doch ihr Name vielleicht schon. »… das Gör, wenn du

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