Die Dornen der Rose (German Edition)
Leiter.
Schwester Anne, die ihm half, beugte sich über den Rand, um zu trösten und zu ermutigen. Sie tätschelte sie am Kopf, an der Wange und flüsterte leise: »Geh, mein Kind. Alles wird gut. Sie warten unten auf dich. Geh jetzt.«
»Geh, ehe ich dich schlage«, sagte Hawker.
Zusammen gelang es ihnen, das Mädchen in Bewegung zu setzen. Er bedeutete Hawker mit einem Zeichen, nach dem Mädchen hinunterzuklettern. Hawker würde sie heil nach unten bringen, wenn es überhaupt irgendjemand gelang. Vielleicht würde er ihr dafür auf die Finger treten müssen, aber es würde ihm gelingen.
Es hatte eine Stunde gedauert, alle hinauszuschaffen. Jetzt waren nur noch Vater Jérôme und Schwester Anne da. Die anderen beiden Nonnen waren drinnen geblieben, denn sie waren zu schwach, um zu gehen. Er musste sie zurücklassen.
Die Nonne hatte sich um die Frauen gekümmert und sich dabei als sehr nützlich erwiesen. »Stecken Sie den Saum in den Gürtel, Schwester. Wenn sich Ihr Fuß im Rock verhakt, halten Sie einfach an und befreien ihn mit einem Ruck.«
»Du meine Güte, nein. Ich gehe nicht.«
Ich habe keine Zeit für so etwas . »Es gibt keine andere Möglichkeit, Schwester. Das ist der einzige Weg nach draußen. Es ist ganz leicht, wenn Sie erst einmal über den Rand gestiegen sind.«
Im Gefängnis war es zu ruhig, nachdem fast alle draußen waren. Das allnächtliche Husten und Schnarchen fehlte vollständig. Schon bald würde einer der Wärter merken, dass irgendetwas nicht stimmte .
Sie legte die Hand auf seinen Arm. »Mein lieber Junge. Dir ist doch bestimmt klar, dass ich nie vorhatte zu fliehen. Ich kann nicht.«
Maggie ist da unten, und nur der Himmel weiß, was sie gerade durchmacht . »Wenn Sie zurückbleiben, werden Sie sterben.«
Mit leiser und sehr ruhiger Stimme sagte der Priester: »Guillaume, es ist bereits entschieden. Die Schwester und ich werden zurückbleiben.«
»Vater, wir haben keine …«
»Die Schwester bleibt, weil es ihre Pflicht ist.«
»Es ist völlig unmöglich, dass ich Schwester Scholastica und Schwester Benedict zurücklasse. Es wäre keiner da, der sich um sie kümmert. Und sie verstehen nicht, was passiert.« Mit belegter Stimme sprach sie weiter. »Jemand muss bei ihnen sein, wenn wir zur Guillotine gebracht werden. Sie sind wirklich zu alt und zu gebrechlich, um dem allein entgegenzutreten.«
Er schloss die Augen. »Oh, verdammt.«
»Sie sind dreißig Jahre lang meine Schwestern gewesen. Natürlich werden wir zusammen gehen.« Sie tätschelte ihn genauso, wie sie es bei dem verängstigten Mädchen am Brunnenrand getan hatte. »Sie müssen sich beeilen und gehen, damit ich zu ihnen zurück kann. Sie wachen nachts manchmal auf und denken, es wäre Zeit für die Frühandacht. Dann bekommen sie Angst, weil wir nicht am richtigen Ort sind.«
»Sie können nicht …«
»Sie kann und sie wird.« Vater Jérôme schob ihn in Richtung Brunnen. »Ihr Platz ist hier. Der Ihre ist woanders, und dorthin müssen Sie jetzt gehen.«
»Vater … Sie wissen, was ich mit diesen Papieren versuche, zu erreichen. Auch wenn es funktioniert, geht es vielleicht nicht schnell genug, um Sie zu retten. Man könnte Sie schon morgen von hier wegbringen.«
»Das liegt jetzt – wie schon immer – in Gottes Hand. Aber wenn wir das Ganze auch noch einmal vernünftig betrachten, glaube ich, dass nicht einmal du stark genug bist, um mich wie einst Aeneas aus Troja zu tragen. Nicht mit einer gebrochenen Rippe. Da sind jetzt mehrere Dutzend Männer und Frauen am Boden dieser Höllengrube. Du trägst jetzt die Verantwortung für sie. Du musst zu ihnen.«
»Ich kann Sie tragen. Ich bin stark genug.«
»Wir werden nicht versuchen, es herauszufinden. Das hier ist für dich.« Eine Schachtel wurde ihm in die Hand geschoben. Glatt, mit Ecken und Kanten und den leicht hervortretenden, eingelegten Quadraten. Das Schachspiel. »Ich freue mich sagen zu können, dass es keinen mehr gibt, dem ich es geben könnte. Und außerdem ist es für mich an der Zeit, wieder zu Bett zu gehen. Ich bin dabei, mir eine erbauliche Rede auszudenken, die ich auf dem Schafott halten werde.«
»Man wirft sein Leben nicht weg, nur um etwas zu sagen.«
»Aber ganz im Gegenteil. Das ist genau das, was man tun sollte. Verstau die Schachtel gut, mein Sohn. Du wirst beide Hände zum Klettern brauchen.«
»Schicken Sie zumindest die dumme Nonne raus. Sie können ihr befehlen, zu gehen.«
»Aber das werde ich nicht tun.« Der Priester
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