Die Dornen der Rose (German Edition)
gingen dicht nebeneinanderher, während Hawker weit hinter ihnen zurückblieb und die Umgebung im Auge behielt. Am Wasser war es kühl, und auf der tiefschwarzen Oberfläche spiegelte sich das Licht der Brückenlaternen. Es standen keine Sterne am Himmel, und auch der Mond war nicht zu sehen. Vielleicht bedeutete es, dass jemanden heute Nacht ein Unglück ereilte. Falls es so war, traf es hoffentlich einen ihrer Feinde.
»Ich habe die Liste für dich gefunden«, sagte sie. Auf der Brücke würde niemand ihr Gespräch mitbekommen. »Die, nach der du überall gesucht hast. Die Liste, die mein Vater in seiner unendlichen Torheit erstellt hat.«
»Aha.« Guillaume wurde langsamer. »Die Liste.«
»Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Er war unter denen, die dich heute befreit haben. Das sollte dich ihm gegenüber freundlich stimmen. Er wird die Liste finden und sie dir geben. Du wirst ihn nicht töten, hast du verstanden? Er hatte keine Ahnung, was man damit anstellen würde.«
»Ich werde ihm nichts tun.«
»Gut. Cousin Victor ist verantwortlich für diesen ganzen Irrsinn. Und Robespierre. Robespierre darfst du so viel antun, wie du willst.«
»Ich werde dich beim Wort nehmen.«
Im Marais klopfte Guillaume an eine stabile Tür in einer kleinen, verlassenen Straße. Nach einer Weile erschien ein Licht im Gitterfenster der Tür, und das Tor wurde aufgezogen. Rasch traten sie ein, und Hawker schlüpfte mit ihnen hindurch.
Sie machten wenig Lärm, aber während sie noch gingen, wurden zwei Kerzen in einem der oberen Stockwerke angezündet und der flackernde Schein bewegte sich an den Fenstern vorbei. Auf allen Seiten flammten Lichter hinter den Läden auf. Dann wurde es im Erdgeschoss hell.
Der Pförtner, der ihnen das Tor geöffnet hatte, stellte seine Laterne ab, ergriff mit beiden Händen Guillaumes Hand und schüttelte sie heftig. »Wir hatten Angst um Sie«, murmelte er. »Es schien keine Rettung zu geben.«
Das war ein Willkommensgruß. Dies war also Guillaumes Zuhause.
Die Tür auf der anderen Seite des Hofes ging auf, und eine große Küche wurde dahinter sichtbar. Eine hochgewachsene, alte Frau mit weißem Haar, das sie zu langen Zöpfen geflochten hatte, kam auf sie zu. Sie trug einen scharlachroten Frisiermantel aus chinesischer Seide, der hinter ihr herflatterte.
»Sie sind in Sicherheit.« Eine pummelige Frau lief um die hagere Alte herum, rannte auf Guillaume zu, packte ihn bei den Schultern und umarmte ihn heftig. Dann ließ sie ihn wieder los und betrachtete ihn von oben bis unten.
Die weißhaarige Frau hielt eine Kerze hoch. »Guillaume. Am Leben. Und zumindest einigermaßen unverletzt.« Die Kerze schwenkte nach links. »Und Marguerite de Fleurignac.« Das war eine Feststellung, keine Frage. Ein stählerner Blick musterte sie durchdringend und ging dann zu Hawker. »Und du.« Ihr Blick kehrte zu Guillaume zurück und wurde etwas wärmer. »Ich war nicht optimistisch. Aber dieses Mal bin ich froh, unrecht gehabt zu haben. Kommt nach drinnen … alle. Ich will wissen, wie alles abgelaufen ist.«
»Ich brauche eine Minute, um mir das Gefängnis vom Körper zu waschen.« Guillaume knöpfte seine Weste auf und ließ sie zusammen mit seiner Jacke auf eine Bank fallen, an der er vorbeiging. Er strebte zu dem viereckigen Becken aus Stein am Rand des Hofes. »Maggie, geh schon mal in die Küche. Lass dir etwas Warmes zu trinken geben. Hawker, geh die Treppe hinauf, die direkt hinter dir ist. Ein Stockwerk hoch und dann die zweite Tür links. In meinem Zimmer sind saubere Handtücher. Bring mir welche.«
Guillaume schickte Hawker ins Herz des Hauses, um der herablassenden alten Frau klarzumachen, dass der Junge unter seinem Schutz stand.
»Hawker«, hielt sie ihn auf. Der dunkle Kopf mit dem kurzen, dichten dunklen Haar hob sich. »Stell mich der Dame vor.«
Er sah ihr in die Augen. Er wusste, was sie tat. Allen war es klar. Alle verständigten sich mit Blicken und dem Zucken einer Augenbraue.
»Selbstverständlich.« Hawker stellte sich zwischen sie und die alte Frau. Mit geradem Rücken, förmlich und gleichzeitig spöttisch deutete er eine Verbeugung an und sagte im Tonfall eines jungen Adligen aus der Gascogne: »Madame Cachard, erlauben Sie mir, Ihnen Mademoiselle Marguerite de Fleurignac vorzustellen. Sie haben vielleicht bereits von ihrem Vater gehört, dem früheren Marquis de …«
»Meine Ehefrau«, unterbrach Guillaume ihn. Er hatte sich das Hemd über den Kopf gezogen. Halbnackt stand
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