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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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Übergang von Sandweg auf Kiesfläche markierte. Die Esel am langen Zügel hinter sich her ziehend kam Adrian mit hängenden Schultern aus dem Gemüsegarten und erschien auf der Bildfläche. Die Esel sahen jetzt ganz anders aus. Er hatte die Packkörbe und Rücken der Tiere mit Bergen von Kräutern beladen. Basilikum, Lavendel, Rosmarin, Salbei. Und obenauf noch Bündel aus jenen langen Haselnussstangen geschnürt, wie die Gärtner sie immer schnitten und abschälten, um sie als Bohnenstangen zu verwenden.
    Die Esel verschwanden fast unter der Last. Er hatte ihre Hälse und Beine mit Dreck beschmiert. Jetzt glichen sie bösartigen Dorfeseln. Verdreckte, zerzauste Kreaturen, wie sie von den niedersten Hofpächtern gehalten wurden. Auch Adrian sah schmuddelig aus. Sein freches, herausforderndes Wesen war verschwunden. Zusammengesackt und teilnahmslos schleppte er sich seelenruhig im Schneckentempo direkt vor ihren Augen dahin.
    LeBreton legte eine Hand auf ihre nackte Schulter. Eine feste Berührung, die eine Warnung enthielt. Er musste gewusst haben, was als Nächstes kommen würde.
    »Hey, du! Du da. Stehen bleiben!« Der Pariser Akzent kam schroff und aus einiger Entfernung. Der Hufschlag beschleunigte sich. »Komm her!«
    Adrian war lustlos in den Hof geschlendert. Die Reiter hatten ihn und die Esel entdeckt. Erwischt.
    »Wer bist du, Junge?«
    Ich kenne diese Stimme . Scharf wie ein Rasiermesser, eine Stimme, in der die Elendsviertel der Vorstadt von Saint-Antoine bis zum Osten von Paris mitschwangen. Das war der Mann, der in der Nacht, als das Château abbrannte, in ihr Zimmer eingedrungen war. Der Mann, gegen den sie sich gewehrt hatte. Der Mann, der sie umbringen wollte.
    »Du hast hier nichts zu suchen. Was machst du hier?« Hufgetrappel. Sie konnte zwar nichts sehen, aber das Schnauben der Pferde hören. »Rede!«
    LeBretons Muskeln verrieten keinerlei Überraschung. Er hatte den Jungen losgeschickt, damit er im Hof diese Szene zum Besten gab. Genau so.
    »Plündern ist verboten.«
    Der Jakobiner hatte geschrien, als sie ihm das Gesicht aufgeschlitzt hatte. Er hatte so laut gekreischt, dass der ganze Mob es draußen auf dem Rasen hören konnte. Sein Blut hatte sich über ihre Hände ergossen und den Brieföffner besudelt, den sie wie ein Messer gehalten hatte. Als sie sich gegen ihn gewehrt hatte, war die Nachtkerze vom Tisch gestürzt. Ihre Papiere hatten Feuer gefangen, und die Vorhänge waren in Flammen aufgegangen.
    Er hatte überlebt. Versteckt in der Dunkelheit, in der feuchten Nische unter der Brücke, hatte sie ihn zitternd und blutverklebt ihren Namen jaulen gehört.
    »Wir dulden es nicht, dass plünderndes Gesindel die Leute ausraubt.«
    Wie ein Tier hatte sie sich in ihrem Versteck geduckt und von dort aus beobachtet, wie dieser Mann durch das wüste Gelage nach dem Inferno gestakst war. Sie hatte gesehen, wie er mit einem groben Verband am Kopf durch die Menge stiefelte, Frauen packte und ihre Gesichter studierte, betrunkene Pärchen auf den Rücken rollte, um sie besser betrachten zu können, und dabei immer wieder brüllte: »Wo ist die De-Fleurignac-Hure? Sie muss hier irgendwo sein. Sucht sie.«
    Der Junge jammerte. Er hatte doch nichts getan. Gar nichts. Die Leute könnten ruhig das Grünzeug haben. Er wollte es gar nicht. Hier. Nehmt es euch. Seine g rand-mère würde schon andere Kräuter für ihren Eintopf finden. Es hatte ihm ja keiner gesagt, dass er nicht einfach so …
    Der entrüstete Aufschrei verriet, dass man Adrian zu Boden getreten hatte. Die Männer kicherten. Das war der Sport, den sie aus Paris mitgebracht hatten und heutzutage betrieben: kleine Bauernjungen zu schikanieren.
    LeBretons Hand packte sie fester. Ruhig. Nur ruhig .
    Adrians Mutter war Witwe. Seine grand-mère schon sehr alt. Sie hatte keine Zähne mehr.
    »Zum Teufel mit deiner Großmutter.«
    Der Junge zählte weitere verarmte Verwandte auf.
    Der Jakobiner sagte: »Die sind eine echte Plage für uns. Wenn wir so ein Ungeziefer tolerieren, fressen sie noch ganz Frankreich kahl.«
    Adrian würde alles zurückgeben. Wirklich alles. Es waren doch nur Kräuter aus dem Garten. Er war keine Plage. Bitte.
    »Am besten hängen wir gleich ein Dutzend von ihnen auf, um ein Exempel zu statuieren.«
    »Er ist doch noch ein Junge.« Das war die andere Stimme. Träger, tiefer, besser gelaunt. Auch diesen Mann hatte sie gesehen, als er sich in jener Nacht mit einer Flasche Wein in der Hand seinen Weg durch den Tumult gebahnt

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