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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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ihren Waden, Fuß- und Handknöcheln zu knabbern.
    Aus einiger Entfernung drang das Brummen von Bürger Riesenbär zu ihr, der mit seinem Diener sprach.
    Genug, genug. Sie war fertig. Sie zog die Beine aus dem Wasser und schlüpfte – mit nichts als einer ausgedehnten Gänsehaut am Leibe – in ihre Schuhe. Das Hemd, das Bürger LeBreton für sie gestohlen hatte, war zwar sauber, aber alt. Man hatte es laienhaft geflickt. Sie schüttelte es aus und verschaffte sich ein Bild von seinen vielen Unzulänglichkeiten.
    Es geschah ganz plötzlich.
    LeBreton war über ihr. Er prallte mit ihr zusammen und zog sie in höchster Eile nach hinten zur Gartenmauer. Seine Hand bedeckte ihre Nase, ihren Mund, und sie bekam keine Luft mehr.

6
    Er war riesig und düster und so unvermutet da wie ein Erdrutsch. Seine Arme schlossen sich um sie und hielten sie an seiner Brust gefangen. Ihr Rücken prallte gegen die Steinmauer. Seine Hand bedeckte ihren Mund mit lederner, unnachgiebiger Härte. Keine Chance, sich aus seinem Griff zu winden.
    Sie biss mit aller Kraft zu. Keine Reaktion. Nichts hätte ihr deutlicher zeigen können, dass ihre Anstrengungen sinnlos waren.
    Sein Atem drang in ihr Ohr: »Hören Sie es?«
    Ein schwaches, rhythmisches Trappeln.
    Sie hörte auf zu beißen. Sofort spreizte er seine Finger, damit sie Luft bekam. Das heftige Pochen ihres Blutes in den Ohren ließ etwas nach. Jetzt hörte sie es klar und deutlich. Pferde näherten sich langsam auf dem Hauptweg. Zwei oder drei Pferde. Da kam jemand.
    Sie nickte gegen die Hand auf ihrem Mund, und LeBreton ließ sie los. Sie blickten beide in Richtung des Eisentors in der Gartenmauer. Durch das Gitter konnte sie einen schmalen Streifen des Hofes einsehen. Helle Kieselsteine, gemischt mit Trümmerteilen, bedeckten den Boden bis zur Ruine des Châteaus.
    Seit der Revolution war das Dorf von Voisemont in bitterer Armut versunken. Die Armee war dreimal eingefallen, um Pferde im Tausch gegen wertloses Papier zu beschlagnahmen. Die verbliebenen Pferde pflügten die Felder und zogen Wagen. Selbst der Bürgermeister ritt heutzutage nicht mehr zum Vergnügen aus. Wer mochte wohl im Morgengrauen zum Château kommen?
    Mit einem Rascheln und Schaben glitt jemand über die Mauer hinter ihnen. Adrian landete leise und auf nackten Füßen neben ihr. Erschreckt stellte sie fest, dass er ein Messer zwischen den Zähnen hielt. Dann lag es in seiner Hand, tief an seiner Seite, flach an die Weste gedrückt. Er war mucksmäuschenstill.
    »Führ die Esel nach draußen.« LeBretons Lippen formten die Worte nahezu ohne Ton. »Belad sie mit Grünzeug. Du sammelst Kräuter für deine Großmutter. Los. Und versteck das verfluchte Messer.«
    Er nickte nicht einmal. Der Junge krallte die Zehen in die Mauer und war im Nu oben und darüber hinweg. Absolut geräuschlos.
    Stimmen zerrissen die Stille. Pariser Stimmen, die zwischen den ländlichen Vögeln und Grillen völlig fehl am Platze wirkten. Sie waren ganz nah. LeBreton sagte: »Nicht bewegen.«
    So etwas hatte er schon vorher getan. Er hatte sich vor Männern, die ihn jagten, versteckt. Sie rührte sich nicht.
    Er legte ihr seinen Mantel um, zog sie an sich und hüllte sie tief darin ein. LeBreton hatte die Farbe von Erde. Sein Hut, seine Kleidung, ja sogar seine Haut war vom Grau- und Gelbbraun der umstehenden Bäume und der Mauer an ihrem Rücken. In dieser Ecke des Gartens, zwischen den wirren Ästen des Birnbaums, war er wie unsichtbar. Und sie wurde von ihm verdeckt und eingehüllt.
    Sie krallte die Hände in sein Hemd und drückte sich eng an ihn. Der warme Stoff, das Gefühl der darunterliegenden Muskeln, die Spannung seiner Haut, sein gleichmäßiger Atem, all das beruhigte sie. Die Narbe in seinem Gesicht war gewaltig und bedrohlich. Doch diesmal stand genau diese mächtige Bedrohung zwischen ihr und dem, was da den Weg hochkam.
    Er rückte den Mantel noch einmal sorgfältig zurecht und öffnete ihn einen Schlitz weit, damit sie hinausspähen konnte. Durch das Eisengitter, das Tor dieses Gartens, war ein kleiner Streifen des Hofes zu erkennen.
    Er lauschte, als würde er Hunderte von Geräuschen unterscheiden und ihnen eine Bedeutung zuordnen. Sein regloses Verhalten glich dem eines Tieres im Wald, wenn ein Mensch vorbeiging.
    Sie warteten. Man kann nicht einfach aufhören zu atmen. Also holte sie so leise wie möglich in langsamen und flachen Atemzügen Luft.
    Ein paar leise Schritte, dann folgte ein lautes, scharfes Knirschen, das den

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