Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
Vom Netzwerk:
in einem solchen Herrenhaus zu wohnen. Geschmack besaß sie jedenfalls, geradezu unglaublich viel Geschmack, das hatte sie im Salon bewiesen. Doch wer hätte das früher auch nur ahnen können? Während Meggie in Richtung Hühnerhof ging, spürte sie eine prickelnde Erregung. Daddy hatte - mit einem Teil der fünftausend Pfund natürlich - beim Juwelier in Gilly für Mum eine echte Perlenkette und echte Perlenohrringe, mit kleinen Diamanten darin, gekauft. Das sollte, beim ersten Dinner im großen Haus, sein Geschenk für sie sein, und alle Cleary-Kinder, von Bob bis zu den Zwillingen, warteten voll Spannung darauf, Mums überraschtes Gesicht zu sehen.
    Der Hühnerhof war groß. Es gab dort vier Hähne und rund vierzig Hennen. Nachts fanden sie Unterschlupf in einem recht baufälligen Stall mit strohgefüllten Kisten - zum Eierlegen - und Hockstangen in unterschiedlicher Höhe. Tagsüber hatten sie Auslauf im drahtumzäunten Hof.
    Als Meggie die Pforte öffnete und rasch hineinschlüpfte, scharte sich das Hühnervolk sofort um sie. Offensichtlich hofften die Tiere auf Futter. Aber da Meggie sie immer abends fütterte, lachte sie nur und ging zum Stall. Diese dummen Viecher lernten es wohl nie. »Also wirklich«, schimpfte sie mit ihnen, während sie in den Legenestern nachsah, »das ist ja einfach hoffnungslos mit euch! Vierzig Hennen und nur fünfzehn Eier! Das reicht ja nicht einmal fürs Frühstück, von einem Kuchen ganz zu schweigen. Aber ich warne euch. Wenn sich das nicht sehr bald ändert, werdet ihr vorzeitig mit dem Kochtopf Bekanntschaft machen, und das gilt nicht nur für die Damen, sondern auch für die Herren vom Hühnerhof! « Die Eier sorgfältig in der hochgerafften Schürze, lief Meggie singend zur Küche zurück.
    Fee saß in Paddys Lehnstuhl und starrte auf eine Seite einer alten Ausgabe von »Smith’s Weekly«. Ihr Gesicht war leichenblaß, lautlos bewegten sich ihre Lippen. Aus den anderen Räumen kamen Geräusche. Die Männer gingen hin und her, machten sich fertig. Kichern erklang: Jims und Patsy, inzwischen sechs, lagen noch in ihrem Bett, waren jedoch schon wach. Sie durften immer erst etwas später aufstehen. »Was ist, Mum?« fragte Meggie.
    Fee gab keine Antwort. Sie starrte vor sich hin, auf ihrer Oberlippe standen winzige Tröpfchen Schweiß, und die Verzweiflung, die abgrundtiefe Verzweiflung in ihren Augen war von eigentümlicher Art, Fee schien sich mit letzter Kraft in sich selbst festzukrallen, um nicht laut zu schreien.
    »Daddy, Daddy!« rief Meggie erschrocken.
    Ihre Stimme klang so alarmierend, daß ihr Vater sofort in die Küche gestürzt kam. In Hose und Flanellunterhemd. Hinter ihm drängten sich Bob, Jack, Hughie und Stu. Meggie deutete stumm auf Fee. Sofort beugte Paddy sich zu seiner Frau, nahm ihre schlaffe Hand. Einen Augenblick schien er nicht sprechen zu können. Er schluckte, fragte dann: »Was ist, Liebes?« Seine Stimme klang so zärtlich, wie die Kinder sie noch nie gehört hatten. Doch instinktiv wußten sie, daß dieser Ton ihrer Mutter gewiß nicht unvertraut war.
    In der Tat schien es eben das so Besondere dieses Tons zu sein, das Fee aus ihrem schockartigen Zustand löste. Sie hob den Kopf, und der Blick aus ihren großen grauen Augen richtete sich auf sein freundliches, zerfurchtes Gesicht.
    »Hier«, sagte sie und deutete auf die Zeitung, auf eine
    kleingedruckte Meldung ganz unten auf der Seite.
    Stuart stand jetzt hinter seiner Mutter. Leicht ruhte seine Hand auf ihrer Schulter. Paddy blickte zu seinem Sohn, und er nickte kurz. Mochte er auf Frank eifersüchtig gewesen sein, Stuart gegenüber war ein solches Gefühl unmöglich, die Liebe zu Fee trennte sie nicht, sondern verband sie nur enger.
    Paddy begann laut zu lesen. Er las langsam. Von Satz zu Satz klang seine Stimme bedrückter. Die Überschrift lautete: BOXER ZU LEBENSLANGEM KERKER VERURTEILT. Und dies war der Text, der folgte:
    »Francis Armstrong Cleary, 26, Berufsboxer, wurde heute im Goul-burner Bezirksgericht des Mordes für schuldig befunden, begangen an dem 32jährigen Arbeiter Ronald Albert Cumming im letzten Juli. Die Geschworenen fällten ihren Schuldspruch nach nur zehnminutiger Beratung und legten dem Gericht nahe, die gesetzliche Höchststrafe auszusprechen. Wie Richter FitzHugh-Cunneally sagte, handelte es sich um einen völlig eindeutigen Fall. Cumming und Cleary hatten sich am 23. Juli in der öffentlichen Bar des Harbor Hotel heftig gestritten. Noch in derselben Nacht rief Mr.

Weitere Kostenlose Bücher