Die Dornenvögel
Abfallhaufen. Fee ließ es sich nicht nehmen, sie mit einem Holzspan in Brand zu stecken. »Wir brauchen sie nicht«, sagte sie, »und den Armen von Gillanbone will ich so etwas wirklich nicht zumuten.«
»Ja, Mum«, murmelte Meggie, die aus dem Staunen nicht herauskam.
»Wir werden überhaupt keine Vorhänge mehr anbringen«, fuhr Fee fort. Daß sie damit gegen ungeschriebene Gesetze verstoßen würde, ließ sie offenbar kalt. »Die Veranda ist so tief, da kann direktes Sonnenlicht kaum hereinfallen, wozu also Vorhänge? Ich möchte, daß man diesen Raum sieht.«
Die Muster trafen ein, dann das Material, und schon waren auch die Maler und der Polsterer zur Stelle. Die Fenster wurden geputzt, wobei sich Meggie und Cat auf Leitern an die oberen Scheiben machen mußten, während für Mrs. Smith und Minnie die unteren blieben. Fee ihrerseits überwachte alles mit Adlerblicken. In der zweiten Januarwoche war man schließlich fertig, und inzwischen hatte es sich, ganz natürlich und völlig unvermeidlich, in Gillanbone und weiterer Umgebung herumgesprochen: Mrs. Cleary hat aus dem alten Salon Drogheda einen Saal gemacht. Da war es ja wohl nur ein Gebot der Höflichkeit, wenn Mrs. Hopeton beim Einstandsbesuch ebenso mit von der Partie war wie etwa Mrs. King und Mrs. O’Rourke, nicht wahr?
Und alle fanden den Saal geradezu einmalig schön. Die cremefarbenen Aubussonteppiche mit ihren leicht verblichenen Mustern hell- und dunkelroter Rosen und grüner Blätter lagen nicht mehr mit mathematischer Präzision, sondern wie nachlässig »hingestreut« auf dem spiegelblanken Fußboden. Die Wände waren in einem hellen, warmen Farbton gehalten, in zartem Gold hoben sich die Verzierungen hervor, und in die großen, ovalen Aussparungen in der Täfelung war mattschwarze Seide gespannt, auf welcher man fast genau die gleichen Rosenmuster sah wie auf den drei Aubussonteppichen. Der Waterford-Kronleuchter schwebte längst nicht mehr in so ferner und gleichsam fremdartiger Höhe wie früher. Viel tiefer hing er jetzt, befand sich höchstens noch zwei bis zweieinhalb Meter über dem Boden, und so kamen seine zahllosen lichthellen Kristalle viel besser zur Geltung. Auf Tischen mit dünnen, geschwungenen Beinen standen Waterford-Lampen, und man sah auch Waterford-Aschenbecher und Waterford-Vasen: Vasen, in denen eine Fülle - doch keinesfalls eine Überfülle - von gelben und rosaroten Rosen prunkte und prangte. Große, bequeme Sessel, mit cremefarbener Seide frisch überzogen, standen in legerer Gruppierung beieinander, und zu jeder Gruppe gehörte auch eine Ottomane. In einer besonders hell wirkenden Ecke des Raums stand das kostbare alte Spinett. Über dem Kamin hing das Porträt von Fees Großmutter, und an der gegenüberliegenden Wand sah man ein noch größeres Gemälde. Es zeigte eine rothaarige Mary Carson, die der Königin Victoria - und zwar der jüngeren und nicht etwa der alten - wie aus dem Gesicht geschnitten war und ein nach früherer Mode hochelegantes schwarzes und steifes Kleid mit sogenannten Tournüren trug. »Gut«, sagte Fee, »jetzt können wir hier einziehen. Die anderen Räume nehme ich mir in aller Ruhe vor. Ach, ist es nicht herrlich, Geld zu haben und ein schönes Haus, für das man es ausgeben kann?«
Drei oder vier Tage vor dem Umzug waren sie schon in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen, noch vor Sonnenaufgang. Vom Hühnerhof klang triumphierend das Kikeriki der Hähne herüber. »Elende Viecher«, sagte Fee, während sie ihr Porzellan in alte Zeitungen einwickelte. »Ich möchte nur mal wissen, was es zu krähen gibt. Kein einziges Ei haben wir zum Frühstück im Haus, und bis zum Umzug sind ja die Männer hier. Meggie, du mußt für mich zum Hühnerhof gehen, ich bin zu beschäftigt.« Sie betrachtete eine vergilbte Seite des »Sydney Morning Herald« und schüttelte kaum merklich den Kopf über eine Annonce für Wespentaillenkorsetts. »Ich weiß wirklich nicht, weshalb Paddy sich all diese Zeitungen schicken läßt. Es kommt ja doch nie jemand dazu, sie zu lesen. Sie sammeln sich so rasch an, daß man sie gar nicht alle im Herd verbrennen kann. Sieh mal diese hier zum Beispiel - uralt. Fürs Packen kommen sie uns allerdings gerade recht.« Es war schön, Mum so vergnügt zu sehen, dachte Meggie, während sie eilig die hintere Treppe hinunter stieg. Natürlich freuten sich alle auf den Umzug ins große Haus, doch Mutter schien es jetzt kaum mehr erwarten zu können, ganz als wüßte sie, wie es war,
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