Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
Vom Netzwerk:
geduckt, sie ritten davon, durch den Schlamm, über das verwüstete Land. Ralph de Bricassart packte seine wenigen Sachen, und er wußte, was er zu tun hatte, bevor er aufbrach.
    Er ging in den Salon, wo Fee an ihrem Escritoire saß und stumm auf ihre Hände starrte.
    »Fee«, fragte er und setzte sich, nur ein kurzes Stück von ihr entfernt. »Fee - wird es gehen?«
    Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. Was sich in ihren Zügen widerspiegelte, die Stille, die keine Stille war, sondern eine lautlose Qual, prallte so unvermittelt auf ihn, daß er erschrak und unwillkürlich die Augen schloß.
    »Ja, Pater«, sagte sie, »es wird gehen. Da ist die Buchführung, die ich erledigen muß, und fünf Söhne habe ich noch - sechs, wenn Sie Frank mitrechnen. Er ist zwar nicht hier, aber - aber ich bin Ihnen so dankbar, daß Sie sich um ihn kümmern und ihm das Leben ein wenig leichter machen, das ist doch ein großer Trost. Ach, wenn ich ihn doch sehen könnte, wenigstens ein einziges Mal!«
    »Fee, ich möchte, daß Sie über etwas nachdenken.«
    »Worüber?« Sie wirkte abwesend.
    »Fee - hören Sie mir überhaupt zu?« Wieder fühlte er das Erschrecken, eine tiefe Besorgnis.
    Sie schien sich ganz in sich zurückgezogen zu haben, wie in eine Kruste, in die seine Stimme nicht dringen konnte. Doch dann klang, wie aus einer Dunkelheit, abermals der Schmerz schrill aus ihr hervor. »Mein armer Paddy! Mein armer Stuart! Mein armer Frank!« Aber sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle, zeigte jene eiserne Selbstbeherrschung, die für sie so kennzeichnend war. Nur daß es diesmal schien, als versuche sie, sich selbst mit einer Faust zu umklammern, die so lange würgte, bis kein Schrei mehr nach draußen dringen konnte.
    Ihre Augen glitten durch den Raum, ohne irgend etwas zu sehen.
    »Ja«, sagte sie ruhig, »ich höre.«
    »Fee, was ist mit Ihrer Tochter? Denken Sie je daran, daß Sie auch eine Tochter haben?«
    Der Blick aus ihren grauen Augen hob sich zu seinem Gesicht, ruhte fast mitleidig darauf. »Tut das irgendeine Mutter? Was ist eine Tochter? Sie erinnert einen nur an die Schmerzen, ist ein jüngeres Abbild. Und man weiß, sie wird all das tun, was man selbst getan hat, wird die gleichen Tränen weinen. Nein, Pater. Ich versuche zu vergessen, daß ich eine Tochter habe, und wenn ich an sie denke, dann denke ich an sie als einen meiner Söhne. Es sind die Söhne, an die sich eine Mutter erinnert.«
    »Sie weinen Tränen, Fee? Ich habe es nur ein einziges Mal gesehen.«
    »Und Sie werden es nie wieder sehen, denn Tränen ... Tränen gibt es bei mir nicht mehr.« Sie zitterte am ganzen Körper. »Wissen Sie, was, Pater? Vor zwei Tagen habe ich entdeckt, wie sehr ich Paddy liebe. Doch es war wie alles in meinem Leben - zu spät. Zu spät für ihn, zu spät für mich. Wie gern würde ich ihn jetzt in den Armen halten und ihm sagen, daß ich ihn liebe! O Gott, ich hoffe, daß kein anderer Mensch je meinen Schmerz fühlen muß!«
    Er wandte den Blick von ihr ab, um ihr Zeit zu geben, sich wieder zu fassen, um sich selbst Zeit zu geben, jenes Rätsel, das Fee war, etwas besser zu verstehen.
    Er sagte: »Niemand sonst kann Ihren Schmerz fühlen.«
    Sie hob einen Mundwinkel zu einem gleichsam verkrümmten und harten Lächeln. »Ja. Das ist ein Trost, nicht wahr? Ich mag darum nicht zu beneiden sein, doch der Schmerz gehört mir.«
    »Werden Sie mir etwas versprechen, Fee?« »Wenn Sie wollen.«
    »Kümmern Sie sich um Meggie, vergessen Sie sie nicht. Sorgen Sie dafür, daß sie zu den hiesigen Tanzveranstaltungen geht und daß sie Gelegenheit hat, ein paar junge Männer kennenzulernen. Ermutigen sie Meggie, an Heirat zu denken und an ein eigenes Heim. Ich konnte heute beobachten, wie alle jungen Männer sie aufmerksam beäugten. Sorgen Sie dafür, daß sie sie wiedertreffen kann, unter glücklicheren Umständen.« »Ganz wie Sie wollen, Pater.«
    Seufzend ließ er sie allein, sah, wie sie auf ihre mageren, weißen Hände starrte.
    Meggie begleitete ihn zum Stall, wo der Wallach vom Besitzer des »Imperial« die vergangenen zwei Tage genutzt hatte, um sich an allen verfügbaren Pferdeleckerbissen gütlich zu tun. Er warf dem Tier den Sattel auf den Rücken und begann dann den Gurt festzuschnallen. Meggie stand gegen
    einen Strohballen gelehnt und beobachtete ihn.
    »Pater«, sagte sie, »sehen Sie, was ich hier habe.« Sie streckte eine Hand vor, hielt darin eine rötlich-graue Rose. »Es ist die einzige, die zu finden war. Ich

Weitere Kostenlose Bücher