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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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erwarten?
    Im frühen Morgengrauen erreichten die Reiter mit den beiden Leichen den Creek. Noch war das Wasser nicht über die Ufer getreten, doch der Gillan glich jetzt eher einem breiten Fluß mit rasch dahinjagender Strömung bei einer Tiefe von nicht weniger als zehn Metern.
    Ralph de Bricassart trieb seine braune Stute in das Wasser und ließ sich zum anderen Ufer tragen, um den Hals eine Stola und in der Satteltasche all jene Dinge, die er in seiner Eigenschaft als Priester jetzt brauchte. Während Fee, Bob, Jack, Hughie und Tom sich um ihn versammelten, zog er die schützende Leinwand von den beiden Toten und bereitete alles zu ihrer Salbung vor. Nach der Letzten Ölung bei Mary Carson, davon war er überzeugt, konnte es nichts, gar nichts mehr geben, was bei ihm Übelkeit hervorrief. Und irgendwie fand er nichts Abstoßendes an den Leichen von Paddy und von Stu, obschon beide furchtbar entstellt wirkten, die verkohlten Überreste des Vaters, die schwarz verfärbte Haut des Sohnes. Der Priester küßte beide in Liebe und Achtung. Über eine Strecke von zwanzig, fast fünfundzwanzig Kilometern hatte das Pferdegespann die holpernde Wellblechplatte durch den Schlamm gezogen. Die breite Furche, die sie hinterlassen hatte, war so tief, daß man die Spur dann noch viel später sehen sollte, in kommenden Jahren, als frisches Gras auf den Koppeln wuchs. Jetzt aber, so schien es, konnten sie nicht mehr weiter vorankommen. Das dahinjagende, strudelnde Wasser des Creek bildete eine wohl unüberwindliche Barriere. Nur knapp zwei Kilometer waren es noch bis zur Homestead, und doch ... Grübelnd standen sie, starrten zu den riesigen Eukalypten beim großen Haus. Selbst jetzt im Regen konnte man die mächtigen Bäume erkennen.
    »Ich habe eine Idee«, sagte Bob. Er blickte den Priester an. »Pater, Sie sind der einzige von uns, der ein frisches Pferd hat, und so werden Sie es wohl tun müssen. Nach dem langen Weg durch den Schlamm reicht bei unseren Tieren die Kraft höchstens noch, um einmal durch den Creek zu schwimmen. Suchen Sie bitte drüben in den Schuppen leere Tonnen zusammen. Solche mit einem Fassungsvermögen von rund hundertfünfzig Litern. Achten Sie darauf, daß die Deckel richtig festsitzen. Falls nötig, müssen sie angeschweißt werden. Wir brauchen zwölf von diesen Tonnen - keinesfalls weniger als zehn. Binden Sie sie aneinander, und bringen Sie sie über den Creek zu uns. Wir werden die Tonnen dann unter der Wellblechplatte befestigen und das ganze wie eine Art Floß hinübermanövrieren.«
    Ohne auch nur ein überflüssiges Wort zu verlieren, tat Ralph de Bricassart, was Bob ihm gesagt hatte. Eine bessere Idee hatte er auch nicht. Inzwischen war, von Dibban-Dibban her, Dominic O’Rourke mit zwei seiner Söhne eingetroffen, ein geradezu naher Nachbar bei den Entfernungsverhältnissen, wie sie hier gegeben waren. Kaum, daß die O’Rourkes hörten, worum es ging, machten sie sich an die Arbeit, suchten in den Schuppen Tonnen zusammen, vergewisserten sich, daß sie wirklich leer waren, schweißten, wo irgend möglich, die Deckel fest, überzeugten sich abschließend noch einmal, daß die Tonnen für die Anforderungen auch wirklich geeignet schienen. Noch immer fiel Regen. Er sollte noch zwei Tage lang fallen. »Dominic«, sagte Ralph de Bricassart, »ich bitte Sie nicht gerne darum, aber - die Toten müssen morgen bestattet werden, und bis dahin können die Särge, selbst wenn sie rechtzeitig fertig werden sollten, nicht von Gillanbone nach Drogheda gebracht werden - nicht bei diesem Regen und diesem Schlamm. Könnten Sie oder Ihre Söhne vielleicht versuchen, zwei Behelfssärge zu machen? Ich brauche nur einen Mann, der mich zur anderen Seite des Creek begleitet.« Dominic O’Rourke warf seinen Söhnen einen fragenden Blick zu. Sie nickten. Offenbar waren sie ganz froh, daß ihnen der Anblick der entstellten Leichen erspart blieb.
    »In Ordnung, Dad«, sagte Liam, »wir machen das schon.« Die leeren Tonnen hinter ihren Pferden herschleppend, ritten der Priester und der Viehzüchter zum Creek.
    »Also eins muß ich schon sagen!« rief Dominic O’Rourke. »Wenigstens bleibt es uns erspart, in diesem Schlamm Gräber ausheben zu müssen, und das verdanken wir der alten Mary. Ich fand’s zwar immer ziemlich verrückt, daß sie für Michael ein Marmormausoleum hatte bauen lassen, aber jetzt könnte ich sie für diese Idee küssen.« »Ja, da können wir von Glück sagen«, lautete die Antwort. Ohne allzu

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