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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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gesagt hat, nicht wahr?« Um seine Lippen zuckte es. »Nein, nicht die arme Annelise. Sie war der MärtyrerinnenTyp, und ein so kraft- und saftvolles Vokabular gehörte nicht zu ihren Waffen. Gibt’s eigentlich australische Filme? Jedenfalls wünschte ich, man könnte sie hier in der Originalfassung hören. Das müßte wirklich eine ganz ausgezeichnete Gelegenheit sein, Umgangsenglisch zu lernen.«
    »Na, ist doch aber auch wahr! Eine solche Ehe ist doch wirklich harter Käse!«
    »Also, Käse, das verstehe ich ja. Aber wieso harter Käse, was heißt das nun wieder?«
    »Na, so was Ähnliches wie mordsmies, für alle rundum. Das Beste, was du ihr antun konntest, war jedenfalls, dich von ihr scheiden zu lassen. Ohne dich ist sie weit besser dran, auch wenn sie das sicher nicht so recht kapiert. Und ich hab’ dich für mich als patenten Freund, ohne daß du mir je unter die Haut gehen könntest.« »Um’s amerikanisch zu sagen, Justine: Du bist wirklich hartgekocht. Woher weißt du das alles überhaupt über mich?« »Ich habe Dane gefragt. Der hat mir natürlich nur ein paar nackte Tatsachen genannt, und den Rest konnte ich mir dann ja zusammenreimen.«
    »Wobei du auf den überreichen Schatz deiner Erfahrungen zurückgegriffen hast, wie? Du bist mir vielleicht eine Hochstaplerin! Du sollst ja eine ganz ausgezeichnete Schauspielerin sein, aber das kann ich gar nicht recht glauben. Denn wie willst du auf der Bühne Gefühle ausdrücken, die du in der Wirklichkeit ja noch nie empfunden hast? Mir scheint, daß du in deinen Emotionen unreifer bist als die meisten Fünfzehnj ährigen.«
    Sie antwortete nicht sofort. Statt vor Wut in die Luft zu gehen, schien sie gleichsam einen inneren Hörapparat abgeschaltet zu haben, eine Reaktion, die bei besonders harter Kritik an ihr typisch für sie war. Sie setzte sich auf einen Brunnenrand, zog sich die Schuhe wieder an. »Meine Füße sind geschwollen, verdammt noch mal!« sagte sie. Er wartete ruhig.
    »Deine Frage ist schwer zu beantworten«, sagte sie schließlich. »Offenbar bin ich ja fähig, Menschen darzustellen, denn sonst würde man mich kaum eine gute Schauspielerin nennen, nicht wahr? Aber es ist wie ... wie ein Warten. Mein Leben abseits der Bühne, meine ich. Wie soll ich das nur erklären. Auf der Bühne lege ich sozusagen alles hinein, im Privatleben nicht. Jeder von uns hat ja nur soundso viel zu geben, und da muß man sich schon sehr genau überlegen, wann, wie und wo. Außerdem: auf der Bühne bin ich nicht ich selbst, sondern gewissermaßen eine ganze Folge von Selbsts. Übrigens sind wir das wohl alle auch im Privatleben, eine Mischung aus verschiedenen Selbsts, meinst du nicht? Was die Verkörperung eines Menschen auf der Bühne betrifft, so kommt sie für mich zunächst aus dem Intellekt und dann erst aus der Emotion. Das eine befreit das andere, gibt ihm einen erweiterten Aspekt. Schauspielerei, das ist nun wirklich mehr als ein überzeugendes Lachen oder Weinen oder Schreien. Es ist einfach wunderbar, weißt du. Mich in ein anderes Selbst hineinzudenken, in jemanden, der ich unter Umständen hätte sein können. Das ist das Geheimnis. Nicht ein anderer, eine andere werden. Vielmehr die Rolle so absorbieren, als ob diese andere ich wäre. Und so wird sie dann ich.« Wie in unbezwinglicher Erregung sprang sie auf. »Stell dir nur vor, Rain! In zwanzig Jahren werde ich sagen können: >Ich habe Morde verübt, ich habe Selbstmorde begangen, ich bin wahnsinnig geworden, ich habe Männer gerettet oder auch ruiniert.< Oh! Die Möglichkeiten sind endlos!« »Ja, all diese Rollen, all diese Frauen werden du sein.« Er nahm wieder ihre Hand. »Und ich fürchte fast, du hast recht. Du kannst deine Kraft nicht abseits der Bühne verbrauchen. Bei jeder anderen würde ich allerdings meinen, sie tut’s trotzdem. Bei dir bin ich da nicht so sicher.«
     
     
    18
     
     
     
    Sich vorzustellen, Rom und London wären nicht weiter von Drogheda entfernt als Sydney, fiel nicht so schwer; und was Dane und Justine betraf, so konnte man in gewissem Sinn immer noch meinen, sie befänden sich auf ihren Boarding Schools. Nun gut, es war ihnen jetzt unmöglich, alle kurzen Ferien zu Hause zu verbringen, aber einmal im Jahr kamen sie doch mindestens für einen Monat nach Drogheda, gewöhnlich im August oder im September, und eigentlich sahen sie doch ziemlich unverändert aus. Was spielte es schon für eine Rolle, ob sie nun fünfzehn und sechzehn oder zweiundzwanzig und

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