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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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dreiundzwanzig waren? Niemand machte viel Aufhebens davon, wenn der Urlaub der »Kinder« bevorstand. Freudige Ausrufe wie: »Ach, endlich kommen sie wieder!« oder: »Nur noch ein paar Wochen, und sie sind wieder da!« hörte man kaum. Aber so etwa ab Anfang Juli kam ein merklicher Schwung in die Bewegungen, und auf den Gesichtern zeigte sich so etwas Ähnliches wie ein versonnenes Lächeln, das sich gleichsam vom Salon über das Kochhaus bis zu den Koppeln
    ausbreitete.
    Zwischen den Urlauben gab es natürlich Briefwechsel. In den Zeilen spiegelte sich mehr oder minder die Persönlichkeit des Schreibers oder der Schreiberin wider. In einigen Punkten zeigte die Korrespondenz jedoch eigentümliche Widersprüche zwischen altgewohnten Vorstellungen und der Wirklichkeit auf. So hätte man gewiß angenommen, Dane sei ein überaus pünktlicher und fast schon penibler Briefeschreiber, Justine hingegen die Schreibfaulheit in Person. Auch hätte man glauben mögen, daß Fee überhaupt nicht schreiben würde, die Cleary-Männer vielleicht zweimal im Jahr, Meggie jedoch fast täglich, zumindest an Dane; und daß Mrs. Smith, Minnie und Cat zu Weihnachten und zu den Geburtstagen Karten schicken würden. Was Anne Müller betraf, so konnte man annehmen, sie werde an Justine oft, an Dane hingegen nie schreiben. Dane hatte die besten Vorsätze, und er schrieb auch regelmäßig. Nur vergaß er dann, seine Briefe aufzugeben, so daß man auf Drogheda zwei oder drei Monate lang überhaupt nichts von ihm hörte, bis dann eines Tages gleich ein Dutzend Briefe auf einmal kam. Justine, überaus mitteilungsfreudig, brachte dem Umfang nach wahre Episteln zustande und schrieb ihrer Art entsprechend ganz so, wie ihr der Schnabel gewachsen war, was so manchen mittleren Schock auslöste, aber in seiner Art doch sehr faszinierte. Meggie schrieb jedem ihrer beiden Kinder alle zwei Wochen einen Brief. Fee schrieb an ihre Enkeltochter nie, an ihren Enkelsohn ziemlich oft. Außerdem erhielt Dane von all seinen Onkeln regelmäßig Post. Sie berichteten ihm über das Land, über die Schafe und über den Gesundheitszustand der Drogheda-Frauen. Offenbar sahen sie es als ihre Pflicht an, ihm zu versichern, daß daheim alles zum Besten stehe. Justine schickten sie derartige Briefe nicht. Sie wäre darüber zweifellos auch recht verblüfft gewesen. Was die übrigen, also Mrs. Smith, Minnie, Cat und Anne Müller betraf, so verhielten sie sich in Sachen Korrespondenz so, wie man es von ihnen erwarten konnte. Briefe lesen war ein Vergnügen, Briefe schreiben eine Last. Allerdings galt das nicht für Justine, die sich immer wieder darüber ärgerte, daß niemand ihr die Art Brief schickte, die sie selber schrieb - von schier unbeschränkter Ausführlichkeit und Offenheit. Alle wirklich interessanten Informationen, die man auf Drogheda über Dane erhielt, erhielt man nicht von ihm, sondern von Justine. Während seine Briefe die wißbegierigen Empfänger nie mitten in eine Szene führten, sprangen die von Justine gleichsam sofort mit beiden Beinen hinein.
    »Rain ist heute per Flugzeug nach London gekommen«, schrieb sie einmal, »und er hat mir berichtet, daß er letzte Woche in Rom mit Dane zusammentraf. Nun, Dane sieht er öfter als mich, da Rom auf seiner Reiseliste ganz oben steht und London ganz unten. Ich muß ehrlich sagen, daß Rain einer der Hauptgründe dafür ist, daß ich mich jedes Jahr vor unserer Heimreise mit Dane in Rom treffe. Er kommt immer gern nach London, und es wäre ihm lieber, wenn wir beide uns hier zur Abreise treffen würden. Aber wenn Rain in Rom ist, mache ich da nicht mit. Verdammt selbstsüchtig von mir, weiß schon. Aber Ihr könnt Euch einfach nicht vorstellen, wieviel Vergnügen es mir macht, mit Rain zusammen zu sein. Er gehört zu den wenigen wirklich interessanten Menschen, die ich kenne, und ich wünschte, wir würden einander öfter sehen.
    In einer Hinsicht ist Rain besser dran als ich. Er lernt Danes Mitseminaristen kennen, ich nicht. Ich glaube, Dane fürchtet, ich würde sie auf der Stelle vergewaltigen. Oder sie mich. Hah! Könnte höchstens passieren, wenn sie mich in meinem Charmian-Kostüm sehen. Aber mal ganz ehrlich - das Ding würde die Jungs bestimmt vom Schlitten hauen. Ist so eine Art Theda Bara, bloß up to date. Zwei kleine runde Bronzeschilde für die alten Titten, dazu jede Menge Ketten und außerdem so ein Ding, das ich für einen ziemlich massiven Keuschheitsgürtel halte - wer da rein will, braucht

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