Die Dornenvögel
wiederhaben, Ralph. Ich will, daß er gefunden wird und dort seine letzte Ruhestätte hat, wo er hingehört - auf Drogheda. Ich habe Jims versprochen, ihn nach Drogheda zurückzubringen, und das werde ich auch tun - und wenn ich auf Händen und Füßen durch jeden Friedhof auf Kreta kriechen muß. Schlag dir also den Gedanken an eine römische Priestergruft für ihn aus dem Kopf, Ralph. Ich würde dagegen kämpfen, und wenn ich vor die höchsten Gerichte müßte. Er muß heimkehren.« »Niemand wird dir das verweigern, Meggie«, sagte er sanft. »Es ist geweihter Boden, und mehr verlangt die Kirche nicht. Ich hätte von mir aus daraufgedrungen, daß er auf Drogheda bestattet wird.« Sie schien kaum richtig zugehört zu haben. »All die Formalitäten, die notwendig sind«, sagte sie, »damit werde ich allein nicht fertig. Ich spreche nicht griechisch, und irgendwelchen Einfluß besitze ich auch nicht. Deshalb bin ich zu dir gekommen. Damit du deinen Einfluß geltend machst. Ich will meinen Sohn wiederhaben. Hilf mir dabei, Ralph!«
»Natürlich, Meggie. Mach dir da bitte keine Sorgen. Es wird gelingen, wenn auch vielleicht nicht so schnell, wie es uns lieb wäre. Die Linken sind jetzt an der Macht, und sie sind sehr antikatholisch. Aber ich bin in Griechenland nicht ohne Freunde, und so kann und wird es gelingen. Er ist ein Priester der Heiligen Katholischen Kirche, und wir werden ihn finden und zurückholen. Warte, ich will sofort alle Hebel in Bewegung setzen.«
Seine Hand streckte sich nach der Klingelschnur. Doch er zog nicht daran. Meggies harter, kalter Blick ließ ihn innehalten.
»Du scheinst nicht zu verstehen, Ralph. Ich will nicht, daß irgendwelche Hebel in Bewegung gesetzt werden. Ich will meinen Sohn wiederhaben - nicht nächste Woche oder nächsten Monat, sondern jetzt! Du sprichst griechisch, du kannst für dich und mich Visa bekommen, und wenn du mich sofort nach Griechenland begleitest, dann bist du gewiß imstande, mir sehr bald meinen Sohn wiederzugeben.«
In seinen Augen spiegelte sich viel: Zärtlichkeit, Anteilnahme, Schock, Schmerz. Gleichzeitig waren es jedoch auch die Augen des Priesters, ruhig, nüchtern, vernünftig. »Meggie, ich liebe deinen Sohn, als ob er mein eigener wäre, aber ich kann Rom zur Zeit nicht verlassen. Im übrigen weißt du vielleicht besser als jeder sonst, daß es keinesfalls in meiner Macht steht, frei über mich zu verfügen. Was immer ich auch für dich empfinde, wie sehr ich auch um Dane trauere, noch haben wir in Rom das Konzil, ein sehr wichtiges Konzil, und ich kann nicht fort, sondern muß mich dem Heiligen Vater unmittelbar zur Verfügung halten.«
Sie zuckte zurück, als hätte sie einen harten Schlag erhalten. Wie benommen schüttelte sie den Kopf, lächelte dann eigentümlich verzerrt. Ein Zittern ging durch ihren Körper, sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, schien dann zu einem Entschluß zu kommen. Plötzlich saß sie sehr steif und sehr gerade. »Liebst du meinen Sohn wirklich, als ob er dein eigener wäre, Ralph?« fragte sie. »Was würdest du denn für einen eigenen Sohn tun? Würdest du dich zurücklehnen und zu seiner Mutter sagen: >Nein, tut mir ja sehr leid, aber ich kann mir keine Zeit dafür nehmen?< Könntest du das zu der Mutter deines Sohnes sagen?«
Danes Augen und doch nicht Danes Augen. Hilflos und verwirrt blickten sie Meggie an, voll Schmerz.
»Ich habe keinen Sohn«, sagte er. »Doch zu den vielen, vielen Dingen, die ich von deinem Sohn gelernt habe, gehört dies: daß meine Treue und Ergebenheit einzig und allein Gott dem Allmächtigen gehört.«
»Dane war auch dein Sohn«, sagte sie. Er starrte sie verständnislos an. »Was?«
»Ich habe gesagt: Dane war auch dein Sohn. Als ich Matlock Island verließ, war ich schwanger. Dane war von dir, nicht von Luke O’Neill.«
»Das - ist - nicht - wahr!«
»Ich habe nie gewollt, daß du es erfährst, nicht einmal jetzt«, sagte sie. »Glaubst du, ich würde dich belügen?«
»Vielleicht ja«, erwiderte er mit schwankender Stimme. »Um dein Ziel zu erreichen. Damit ich dich sofort nach Griechenland begleite.«
Sie stand auf, trat zu dem mit rotem Brokat bezogenen Sessel, in dem er saß, und nahm seine schmale, wie pergamentene Hand. Sie beugte sich darüber, küßte den Ring, und unter ihrem Atem schien sich der Rubin milchig zu beschlagen. »Bei allem, was dir heilig ist, Ralph, schwöre ich dir, daß Dane dein Sohn war. Er war nicht von Luke und konnte nicht von Luke
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