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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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erstaunlicher Energie, zeigte den Gästen geschäftig ihre Zimmer und schwatzte in breiter Mundart unentwegt drauflos. Pater Ralphs freundliche, umgängliche Art weckte in den Clearys zunächst eher Beklemmung: Von Wahine her waren sie es gewohnt, daß Priester streng auf Distanz hielten. Einzig Paddy taute sehr bald auf, denn er erinnerte sich, wie freundlich die Geistlichen im heimatlichen Galway zu den Gläubigen gewesen waren. Doch die übrigen schwiegen beim Abendessen vorsichtshalber beharrlich vor sich hin. Sobald sie nur konnten, gingen sie auf ihre Zimmer. Nachdem sie gegangen waren, machte Pater Ralph es sich in seinem Lieblingssessel gemütlich. Eine Zigarette zwischen den Fingern, blickte er lächelnd ins flackernde Feuer, während vor seinem inneren Auge einer nach dem anderen die Clearys erschienen, so wie er sie auf dem Bahnhof gesehen hatte: der Mann, der Mary so sehr ähnelte, von schwerer Arbeit gebeugt und offensichtlich ohne die Bösartigkeit seiner Schwester. Dann die Frau, müde und schön. Zu ihr hätte es eher gepaßt, aus einem von Schimmeln gezogenen Landaulett zu steigen. Und weiter: Frank, dunkelhaarig und verdrossen, mit schwarzen Augen, mit schwarzen; die übrigen Söhne, ihrem Vater ziemlich ähnlich bis auf den jüngsten, Stuart, der seiner Mutter nachschlug; das Baby, über das man noch nichts weiter sagen konnte; und Meggie.
    Noch nie hatte er ein so süßes, ein so bezauberndes kleines Mädchen gesehen. Ihr Haar - so schön, daß es sich kaum beschreiben ließ. Nicht rot und nicht gold, sondern eine vollkommene Verschmelzung von beidem. Und die silbergrauen Augen, von sanftstrahlender Reinheit, wie geschmolzene Juwelen. Achselzuckend warf er das Zigarettenende ins Feuer und stand auf. Manchmal schien wirklich die Phantasie mit ihm durchzugehen. Geschmolzene Juwelen, also wahrhaftig!
    Am nächsten Morgen fuhr er die Familie nach Drogheda.
    Aufmerksam betrachteten sie das für sie so Neue und Unbekannte, und ihre Bemerkungen amüsierten ihn sehr. Er erklärte ihnen, daß der letzte Hügel dreihundert Kilometer weiter östlich liege und daß dies hier das Land der Schwarzerdebenen sei: Grasland, so flach wie ein Brett mit verstreuten Bäumen oder Baumgruppen hier und dort. Es war genauso heiß wie am Tag zuvor, doch die Fahrt im Daimler ließ sich eher ertragen als im glutenden Abteil der Eisenbahn. Auch waren sie schon früh aufgebrochen. In einem schwarzen Koffer befanden sich Pater Ralphs Meßgewänder und, mit besonderer Sorgfalt eingepackt, das heilige Sakrament.
    »Die Schafe sind schmutzig!« sagte Meggie kritisch, während sie zu den rostbraunen Wollbündeln blickte, die im Gras weideten. »Oh, Neuseeland muß wohl Irland gleichen, wenn es dort schöne, hellfarbige Schafe gibt«, meinte der Priester.
    »Ja, in so manchem ist es Irland wirklich ähnlich. Es hat das gleiche herrlich grüne Gras. Allerdings ist die Landschaft viel wilder«, erwiderte Paddy, dem der Priester immer besser gefiel.
    Gar nicht weit entfernt sprang jetzt eine Schar Emus auf die Füße. Wie vom Wind getrieben, jagten sie davon. Erst starrten die Kinder verdutzt, dann lachten sie. Es war seltsam, solche Riesenvögel zu sehen, die nicht flogen, sondern rannten.
    »Wie angenehm, daß ich wenigstens diesmal nicht die Tore selbst zu öffnen brauchte«, sagte Pater Ralph, als das letzte Tor hinter ihnen lag. Bob, der es geöffnet hatte, stieg wieder ins Auto.
    Nach all dem so beklemmend Fremdartigen, das ihnen in Australien bisher begegnet war, wirkte das Herrenhaus von Drogheda mit seiner georgianischen Fassade und seinen Ranken und Rosen auf die Clearys fast wie ein Stück der alten Heimat.
    »Werden wir hier wohnen?« fragte Meggie aufgeregt.
    »Nicht direkt hier«, erwiderte der Priester schnell. »Das Haus, in dem ihr wohnen werdet, liegt ein bis zwei Kilometer von hier entfernt, am Creek.«
    Mary Carson erwartete die Familie im großen Salon. Sie erhob sich nicht, um ihren Bruder zu begrüßen, sondern blieb in ihrem großen Ohrensessel sitzen und winkte ihn gleichsam zu sich heran.
    »Nun, Paddy«, sagte sie. Ihre Stimme klang zwar freundlich, doch ihr Blick war bereits zu Pater Ralph geglitten, der Meggie auf den Armen trug, während sie seinen Hals umschlungen hielt. Mary Carsons Augen hatten etwas eigentümlich Starres. Jetzt stand sie auf.
    Ohne Fee und die Kinder zu begrüßen, sagte sie hart: »Es ist das beste, wenn Pater de Bricassart sofort die Messe liest. Er wird sich wieder auf den Weg

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