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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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machen wollen.«
    »Aber keineswegs, teure Mary.« Er lachte, seine blauen Augen glänzten. »So eilig habe ich es gar nicht. Ich lese die Messe, und dann können wir wohl alle ein gutes Frühstück vertragen. Anschließend werde ich Meggie zeigen, wo sie wohnen wird. Das habe ich ihr versprochen.«
    »Meggie«, sagte Mary Carson.
    »Ja, das ist Meggie. Aber ich sollte mit dem Vorstellen wohl in der richtigen Reihenfolge beginnen, nicht wahr? Das ist Fiona.«
    Mary Carson nickte kurz. Doch sie hörte kaum hin, als Pater Ralph die Namen der Jungen nannte. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn und Meggie zu beobachten.

4
     
     
     
    Das Haus für den Oberviehtreiber stand auf Pfählen und befand sich ungefähr zehn Meter oberhalb einer engen, schluchtartigen Vertiefung, die von hohen Eukalyptusbäumen und vielen Trauerweiden gesäumt war. Mit dem Herrenhaus verglichen, wirkte dieses Quartier hier sehr nüchtern, ganz auf Zweckmäßigkeit abgestellt. Andererseits erinnerte die Einrichtung sie in manchem an ihr früheres Haus in Neuseeland. In den Zimmern fand sich eine Überfülle von stabilem viktorianischen Mobiliar, das mit feinem roten Staub bedeckt war. »Ihr habt Glück, ein Badezimmer gibt’s hier auch«, sagte Pater Ralph, als er mit ihnen die Holztreppe zur Vorderveranda hinaufstieg - was fast schon einer kleinen Kletterpartie gleichkam, denn die Pfähle, auf denen das Haus stand, waren an die fünf Meter hoch. »Für den Fall, daß der Creek übertritt«, erklärte der Priester. »Das Haus steht ja in unmittelbarer Nähe, und es soll vorkommen, daß das Wasser in einer einzigen Nacht um zwanzig Meter steigt.« Es gab tatsächlich eine Art Badezimmer: Am einen Ende der Hinterveranda gab es ja, was? Eine abgeteilte Nische mußte man es wohl nennen. Jedenfalls war da ein Raum mit einer alten Blechwanne und einem verbeulten Badeofen. Was allerdings den Abort anging, so entpuppte er sich praktisch als ein schlichtes Loch im Boden - rund zweihundert Meter vom Haus entfernt und voll Gestank.
    »Wer hier gewohnt hat, war nicht gerade sehr sauber«, sagte Fee, als sie mit dem Finger durch den Staub auf der Anrichte fuhr. Pater Ralph lachte. »Wenn Sie dagegen anzukämpfen versuchen, stehen Sie auf verlorenem Posten«, erklärte er. »Hier befinden wir uns im sogenannten Outback, im australischen Busch, und es gibt drei Dinge, gegen die Sie nichts ausrichten können - Hitze, Staub und Fliegen. Was Sie auch immer unternehmen, die werden Sie nie los.«
    Fee sah den Priester an. »Sie sind so überaus gut zu uns, Pater.« »Nun, warum sollte ich nicht? Sie sind die einzigen Verwandten meiner sehr guten Freundin Mary Carson.«
    Sie hob die Schultern, schien unbeeindruckt. »Ich bin den freundschaftlichen Umgang mit einem Priester nicht gewohnt. In Neuseeland halten Geistliche ziemlich auf Distanz.« »Sie sind nicht katholisch, nicht wahr?«
    »Nein, Paddy ist’s. Natürlich sind die Kinder alle katholisch erzogen worden - falls Ihnen das Sorgen machen sollte.«
    »Ist mir noch gar nicht eingefallen. Aber paßt Ihnen das womöglich nicht?«
    »Ob so oder so, mir ist das egal.« »Jedenfalls sind Sie nicht konvertiert?«
    »Ich bin keine Heuchlerin, Pater de Bricassart. Meinen alten Glauben hatte ich verloren, und ein neues, gleichermaßen bedeutungsloses Credo - nein, wirklich nicht.«
    »Verstehe.« Er beobachtete Meggie, die auf der Vorderveranda stand und den Weg zum Herrenhaus entlangspähte. »Sie ist so hübsch, Ihre Tochter. Ich habe eine Vorliebe für tizianrotes Haar, wissen Sie. Und ihr Haar hätte den Maler sofort nach seinen Pinseln greifen lassen. Diese Farbe, genau diese Schattierung, die habe ich noch nie gesehen. Ist sie Ihre einzige Tochter?«
    »Ja. In Paddys Familie wie auch in meiner eigenen haben Jungen immer bei weitem überwogen; Mädchen waren selten.« »Armes kleines Ding«, sagte er leise.
    Als aus Sydney die Kisten eintrafen, nahm das Haus bald ein vertrauteres Aussehen an. Da waren die Bücher, da war das Porzellan, da war so manches andere. Im Wohnzimmer standen Fees Möbel, und alles wirkte jetzt viel wohnlicher.
    Paddy und die Jungen - mit Ausnahme von Stu: er schien noch nicht alt genug dafür - waren meist mit den beiden
    Arbeitern unterwegs, die Mary Carson noch behalten hatte, damit sie ihnen alles beibrächten, was es über die vielen Unterschiede zwischen Schafen im nordwestlichen Neusüdwales und Schafen in Neuseeland zu wissen gab. Fee, Meggie und auch Stu kümmerten sich

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