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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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der Hoffnung auf einen freien Platz erwartungsvoll hereinspähten, zuckten erschrocken zurück: So viele Kinder und dazu noch ein Kleinkind! Manchmal hatte es auch Vorteile, eine große Familie zu sein.
    In der Nacht wurde es doch so kalt, daß es ratsam schien, sich in die karierten Reisedecken zu hüllen, die man bei sich hatte: An jeden Koffer waren außen welche angeschnallt. So ließ es sich einigermaßen aushallen. Das Abteil war nicht geheizt. Immerhin strömten die Metallkästen voll heißer Asche, die sich in Fußbodenhöhe befanden, eine gewisse Wärme aus. Geheizte Abteile kannte man weder in Australien noch in Neuseeland.
    »Wie weit ist es denn, Daddy?« fragte Meggie, als der Zug rhythmisch über die Schienen ratterte.
    »Weiter, als es auf unserem Atlas ausgesehen hat, Meggie. Viel weiter sogar. Fast tausend Kilometer. Wir werden morgen am späten Nachmittag dort sein.«
    Die Jungen sahen ihn ungläubig an, doch dann vergaßen sie ihre Verwunderung sozusagen vor lauter Staunen. Der Zug hatte den Bahnhof hinter sich gelassen, und draußen lag etwas, das einer Märchenwelt glich: ein flirrendes, funkelndes
    Lichtermeer. Alle starrten durch die Fenster. Kilometer um Kilometer flog vorbei, und noch immer schienen die Häuser kein Ende nehmen zu wollen. Der Zug erhöhte seine Geschwindigkeit. Allmählich wurden die Lichter spärlicher, schließlich verschwanden sie ganz. Jetzt sah man draußen, wie einen unaufhörlichen Strom, die flirrenden Funken, die der Fahrtwind von der Lokomotive herbeitrug.
    Als Paddy die Jungen auf den Gang führte, damit Fee dem Baby die Brust geben konnte, blickte Meggie sehnsüchtig hinter ihren Brüdern her. Seit der kleine Hai auf der Welt war, blieb sie gleichsam ausgeschlossen aus dem Kreis der Jungen. Fee brauchte in allem mehr denn je Meggies Hilfe. Woher also hätte sie Zeit nehmen sollen, sich wie früher wenigstens dann und wann ihren Brüdern anzuschließen? Andererseits fiel es auch nicht allzu schwer, darauf zu verzichten, denn Hai war ein so lieber kleiner Kerl, daß man viel, sehr viel Freude mit ihm hatte. Auch ließ Meggie es sich gern gefallen, wenn ihre Mum sie jetzt wie eine Erwachsene behandelte. Während Fee dem Baby die Brust gab, hielt plötzlich der Zug. Meggie hätte gern das Fenster geöffnet, um besser sehen zu können, wo sie hier waren. Doch im Abteil wurde es trotz der heißen Asche in den Metallkästen immer kälter. Paddy kam den Korridor entlang und trat herein. Für Fee hatte er einen Becher mit dampfendem Tee mitgebracht. Sie legte das jetzt satte und schläfrige Baby auf den Sitz zurück.
    »Wo sind wir hier?« fragte sie.
    »Ein Schild sagt, daß der Ort Valley Heights heißt. Für den Anstieg nach Lithgow bekommen wir noch eine zweite Lok vor den Zug gespannt, hat mir die Frau im Erfrischungsraum erklärt.« »Und wie lange haben wir hier Aufenthalt?«
    »Eine Viertelstunde. Frank bringt dir noch ein paar Sandwiches, und ich sorge dafür, daß auch die Jungens etwas zu essen bekommen. Der nächste Bahnhof, wo wir uns wieder etwas kaufen können, ist Blaynay, und dort sind wir erst viel später in der Nacht.« Meggie und ihre Mutter teilten sich den heißen, stark gesüßten Tee. Bald kam Frank mit den Sandwiches. Später streckten sich Fee und Meggie der Länge nach auf den Sitzen aus, und Frank hüllte beide fest in Reisedecken. Stuart und Hughie wurden zwischen den Sitzen auf den Fußboden gebettet. Mit Bob, Frank und Jack, erklärte Paddy, wolle er ein paar Abteile weiter zu einigen Schafscherern, um sich mit ihnen zu unterhalten und dort die Nacht zu verbringen. Meggie lauschte, von eigentümlicher, pulsender Erregung erfüllt. Es war hier so viel schöner als auf dem Schiff. Rhythmisch klang das Rattern der Räder, rhythmisch drang auch das Schnaufen der beiden Loks herein, in den Telegraphendrähten sang der Wind, und ab und zu hörte man ein sonderbares Geräusch, wie ein leerdrehendes Surren - für Augenblicke schien hier oder dort ein Rad den Kontakt zur Schiene verloren zu haben.
    Am Morgen starrten sie erschrocken, ja entsetzt auf eine Landschaft, von der sie sich nie hätten träumen lassen, daß es sie auf demselben Planeten gab, auf dem auch Neuseeland lag. Rollende Hügel sah man auch hier, gewiß, doch nichts sonst erinnerte an die alte Heimat. Alles war braun und grau, sogar die Bäume. Unter der glutenden Sonne hatte der Winterweizen bereits eine bräunlich silbrige Färbung angenommen. Kilometerweit sah man das sich im

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