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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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hinlegte und die nächste Zigarette zu drehen begann.
    Frank, kaum einen Meter von ihm entfernt, musterte ihn mißtrauisch. »Was ist das - Glück? Wer ist schon glücklich?« »Zur Zeit Ihr Vater und Ihre Brüder. Aber nicht Sie, nicht Ihre Mutter und auch nicht Ihre Schwester. Gefällt Ihnen Australien nicht?«
    »Nicht dieser Teil hier. Ich würde gern nach Sydney gehen. Dort hätte ich vielleicht eine Chance, es zu was zu bringen.« »Nach Sydney, wie? In so eine Lasterhöhle.« Pater Ralph lächelte. »Mir egal! Denn hier, hier draußen sitze ich genauso fest wie in Neuseeland. Ich kann von ihm nicht wegkommen.« »Ihm?«
    Aber das war Frank nur so rausgerutscht, und so schwieg er jetzt. Lang auf dem Rücken liegend, blickte er zum Laub empor. »Wie alt sind Sie, Frank?« »Zweiundzwanzig.«
    »Oh, wirklich? Waren Sie schon einmal von Ihrer Familie fort?« »Nein.«
    »Waren Sie schon einmal zu einem Tanzvergnügen, hatten Sie schon einmal eine Freundin?«
    »Nein.« Mit voller Absicht ließ Frank den »Pater« fort. »Dann wird er Sie nicht mehr viel länger halten können.« »Der wird mich halten, bis ich sterbe.«
    Pater Ralph gähnte und rutschte in eine bequeme Schlaflage.
    »Gute Nacht«, sagte er.
    Am Morgen hingen die Wolken tiefer, doch den ganzen Tag über regnete es nicht, und so bekamen sie auch die zweite Koppel frei. Quer von Nordosten nach Südwesten zog sich über Drogheda eine Bodenwelle hinweg, ein niedriges, gratartiges Gebilde, und in die Koppeln, die dort vor einer Überschwemmung besser geschützt lagen, trieb man das Vieh. Traten der Creek und der Barwon über die Ufer, so konnten die Tiere schneller auf höhergelegenen Stellen Zuflucht finden.
    Der Regen begann fast genau bei Einbruch der Dunkelheit, als Frank und der Priester bereits in schnellem Trab der Creek- Furt unterhalb vom Cleary-Haus zustrebten.
    »Jetzt aber los!« rief Pater Ralph. »Sehen wir zu, daß wir’s noch schaffen. Sonst ertrinken wir im Schlamm.«
    In Sekunden waren sie bis auf die Haut durchnäßt, war der von der Sonne ausgedörrte Boden völlig aufgeweicht. Er verwandelte sich in ein Meer von Schlamm, in das die Pferde tief mit den Hufen einsackten, so daß sie unsicher zu rutschen begannen. Immerhin gab ihnen das Gras vorerst noch ein wenig Halt. Aber näher zum Creek hin, wo zahllose Hufe längst schon jeden Halm zertreten hatten und der Boden völlig kahl war, ging es nicht mehr. Die Reiter mußten absitzen. Ihrer Last ledig, behielten die Pferde mühelos ihr Gleichgewicht. Frank hingegen verlor die Balance. Es war schlimmer als auf einer spiegelglatten Eisfläche. Auf Händen und Knien krochen beide Männer die Uferbank des Creeks hinauf und schossen dann raketengleich hinab. Die Furt, normalerweise nur unter träge dahinfließendem Wasser stehend, das etwa dreißig Zentimeter hoch sein mochte, war jetzt von schäumenden, wild dahinschießenden Wassermassen bedeckt, die in einer Höhe von ein bis anderthalb Meter dahinjagten. Frank hörte, wie der Priester lachte. Von lauten Rufen angetrieben, schafften es die Pferde - sie gelangten heil ans andere Ufer. Doch Pater Ralph und Frank wollte es einfach nicht gelingen. Wieder und wieder versuchten sie es, und wieder und wieder rutschten sie zurück. Als der Priester gerade vorgeschlagen hatte, eine Weide hinaufzuklettern, tauchte plötzlich Paddy auf, der durch das Erscheinen der reiterlosen Pferde alarmiert worden war. Er hatte ein Seil mit und zog die beiden ans Ufer.
    Und dann lud er den Priester zu sich ins Haus ein. Doch Pater Ralph lehnte mit einem freundlichen Lächeln ab. »Ich werde im Herrenhaus erwartet«, sagte er.
    Mary Carson hörte ihn, bevor irgendwer vom Personal dazu Gelegenheit hatte. Er war zur Vorderseite des Hauses gegangen, weil er hoffte, auf diese Weise schneller in sein Zimmer zu kommen. »So lasse ich Sie nicht herein«, sagte sie. Erst jetzt entdeckte er sie: Sie stand auf der Veranda. Ungeniert zog er sich Hemd, Reitstiefel und Reithosen aus, und ebenso ungeniert sah sie ihm dabei zu. In der halboffenen Tür zu ihrem Salon wischte er sich den schlimmsten Schmutz ab. »Sie sind der schönste Mann, den ich je gesehen habe, Ralph de Bricassart«, sagte sie. »Wie kommt es, daß so viele Priester schöne Männer sind? Ist es das Irische? Wirklich ein ansehnlicher Menschenschlag, die Iren. Oder gibt es vielleicht einen ganz anderen Grund? Daß viele schöne Männer die Konsequenzen fürchten, die ihr Aussehen mit sich bringt? Und daß sie

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