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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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einmal mit seiner Schwester.«
    Die Furchen, die sich von Mary Carsons Nasenflügeln herabzogen, vertieften sich, und ihre Augen schienen ein wenig hervorzutreten. »Hochnäsig!«
    Sie verschwand und kam nicht wieder, doch Mrs. Smith, die Haushälterin, erschien oft, und sie gab Fee wegen der Kleidung den gleichen Rat wie Mary Carson. »Hören Sie«, sagte sie, »bei mir steht da eine Nähmaschine herum, die ich nie benutze. Ich werde sie von ein paar Hilfsarbeitern herbringen lassen. Falls ich sie mal brauchen sollte, kann ich ja herkommen.« Sie blickte zu dem kleinen Hai, der vergnügt auf dem Fußboden herumrollte. »Ich höre Kinder gern, Mrs. Cleary.«
    Einmal alle sechs Wochen wurde von Gillanbone auf einem Pferdekarren die Post gebracht; dies war der einzige Kontakt mit der Außenwelt. Drogheda besaß einen Ford-Laster in normaler Ausführung und noch einen zweiten, der eigens so konstruiert war, daß er an Stelle des üblichen Laderaums einen Wassertank hatte. Außerdem gab es einen FordPersonenwagen, Modell T, und eine Rolls-Royce-Limousine; doch außer Mary Carson schien niemand je damit nach Gillanbone zu fahren, und auch sie tat es nicht oft. Für die meisten bedeutete die Fahrt zur Stadt fast so etwas wie eine Reise zum Mond.
    Den sogenannten Postvertrag für den Distrikt besaß Bluey Williams, und bis er mit seinem Gebiet durch war, vergingen jeweils mindestens sechs Wochen. Im übrigen konnte die Bezeichnung »Karren« nur als starke Untertreibung gelten für das gewaltige Fuhrwerk, mit dem er durch die Lande zog: Die Räder hatten einen Durchmesser von nahezu drei Metern, und der Wagen wurde von einem prachtvollen Gespann gezogen, das jeweils aus nicht weniger als zwölf Pferden bestand.
    Allerdings war die Royal Mail - die Königliche Post - auch längst nicht das einzige, was er beförderte. Auf seinem imposanten Gefährt fanden sich: Lebensmittel, Benzinfässer, Benzinkanister, Heu, Säcke voll Zucker und Mehl und Kartoffeln, Holzkisten mit Tee, Ersatzteile für Maschinen, Spielzeug - bei Versandhäusern bestellt - sowie Kleidung - von Anthony Hordern’s in Sydney - und überhaupt alles, was aus Gilly oder woher immer sonst herbeigeschafft werden mußte. Die Entfernung, die Bluey Williams pro Tag durchschnittlich zurücklegte, betrug etwa dreißig Kilometer, und er war überall hochwillkommen. Von ihm erfuhr man Neuigkeiten, ihn befragte man nach dem Wetter in weiter entfernten Gebieten. Und man gab ihm bekritzelte Zettel, in die man Geld eingewickelt hatte; dafür sollte er in Gilly dann das Entsprechende kaufen. Die Briefe, die er zur Beförderung erhielt, steckte er sorgfältig in einen Sack mit der Aufschrift: Royal GVR Mail.
    Westlich von Gilly lagen auf der Route nur zwei Viehstationen, das näher gelegene Drogheda und das weiter entfernte Bugela. Hinter Bugela begann jenes Gebiet, wo die Post nur jedes halbe Jahr einmal angeliefert wurde. In einem weiten zickzackförmigen Bogen zog Bluey mit seinem »Karren« im Südwesten, Westen und Nordwesten von Station zu Station und kehrte dann nach Gilly zurück, bevor er nach dem Osten aufbrach; doch war dies eine kürzere Route, weil rund 100 Kilometer weiter östlich das Gebiet dann in die Zuständigkeit von Booroo-Town fiel. Manchmal brachte er Leute mit, die dann neben ihm auf seinem ungeschützten
    Ledersitz saßen: Besucher und Arbeitsuchende zumeist. Manchmal nahm er Leute mit: Besucher, unzufriedene Viehtreiber, Arbeiter, Dienstmädchen, mitunter auch eine Gouvernante. Die Squatter besaßen Autos, doch wer für die Squatter arbeitete, war in Sachen Transport genauso auf Bluey angewiesen wie die Güter oder die Post, die er beförderte. Als die Stoffe eintrafen, die Fee bei einem Versandhaus bestellt hatte, setzte sie sich an die - von der Haushälterin stammende - Nähmaschine und machte sich daran, die ganze Familie völlig neu einzukleiden: Hosen und Overalls für die Männer, Kittelchen für Hai, Kleider für Meggie und sie selbst - alles sehr leicht und luftig, eine wahre Erlösung nach den engen Sachen und dem vielen Unterzeug, das vor allem die Frauen bisher getragen hatten. Auch Gardinen nähte Fee.
    Meggie fühlte sich einsam. Von den Jungen war ja nur Stu im Haus, und in seiner Gesellschaft konnte man sich längst nicht so vergnügt unterhalten wie etwa in der von Jack und Hughie, die jetzt immer mit ihrem Vater unterwegs waren, um richtige Viehtreiber zu werden. Stuart lebte wie in einer ganz eigenen Welt: ein stiller kleiner

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