Die Dornenvögel
sich deshalb ins Priestergewand flüchten? Ich möchte wetten, daß die Frauen in Gilly sich wie sagt man doch? - vor Liebesglut nach Ihnen verzehren.« »Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, von liebeskranken Frauen keine Notiz zu nehmen.« Er lachte. »Jeder Priester unter fünfzig erscheint einigen von ihnen begehrenswert, und einen Priester unter fünfunddreißig scheinen alle unwiderstehlich zu finden. Doch nur Protestantinnen versuchen offen, mich zu verführen.« »Eine direkte Antwort auf meine Fragen geben Sie mir doch nie, nicht wahr?« Sie straffte sich, legte ihre flache Hand auf seine gebräunte Brust, ließ sie dort. »Sie sind ein Sybarit, Ralph, Sie sonnen sich. Sind Sie am ganzen Körper so braun?«
Er lächelte, beugte dann den Kopf vor, lachte. Sein Atemstoß fuhr in ihr Haar. Er knöpfte seine Baumwollunterhosen auf, ließ sie zu Boden gleiten, schob sie mit den Füßen fort und stand wie eine Praxiteles-Statue, während Mary Carson um ihn herumschritt und ihn betrachtete und sich Zeit dabei ließ.
Die letzten beiden Tage hatten ihn irgendwie erregt, mehr noch: beschwingt. Und eine ähnliche Wirkung hatte jetzt die Erkenntnis, daß sie wohl gar nicht so unverletzlich war, wie er geglaubt hatte. Doch er kannte sie, und so fühlte er sich völlig sicher bei seiner nun folgenden Frage.
»Möchten Sie, daß wir uns lieben, Mary?«
Sie fixierte eine bestimmte Stelle seines Körpers, prustete fast vor Lachen. »Soviel Mühe würde ich Ihnen nicht zumuten wollen! Brauchen Sie überhaupt Frauen, Ralph?« Verächtlich lehnte er den Kopf in den Nacken. »Nein!« »Männer?«
»Die sind schlimmer als Frauen. Nein, ich brauche sie nicht.« »Und wie steht es mit Ihnen selbst?« »Am allerwenigsten.«
»Interessant.« Sie schloß Tür und Fenster, schloß sie sehr dicht und stand dann in der Mitte des Salons. »Ralph, Kardinal de Bricassart!« sagte sie spöttisch. Doch an seinen Augen prallte ihre Ironie gleichsam ab; vielleicht auch schleuderte sein Blick ihren Spott wie mit Hohn zurück. Mit langsamen, schweren Schritten ging sie zu ihrem Ohrensessel, setzte sich, ballte die Fäuste, eine trotzige Geste, wie ein prometheushaftes Aufbegehren.
Splitternackt stieg Pater Ralph von der Veranda hinab zum kurzgestutzten Rasen. Und stand dann mit geschlossenen Augen, die Arme über den Kopf gehoben; und ließ den Regen in Bächen, in Strömen über sich hinwegfluten, in dahinschießenden Katarakten, warm, wunderbar warm, wie tastende Finger, forschende Hände, überall: ein wunderschönes Gefühl auf der Haut. Es war sehr dunkel, man sah nur einen
wohlgeformten Schatten.
Der Creek trat über die Ufer, das Wasser stieg an den Pfählen von Paddys Haus höher und höher, und es flutete auch hinweg über die Home Paddock, auf das Herrenhaus zu.
»Wird morgen schon wieder fallen«, sagte Mary Carson, als Paddy ihr das besorgt meldete.
Sie behielt recht, wie gewöhnlich. Im Verlauf der nächsten Woche fiel das Wasser mehr und mehr, bis es schließlich wieder Normalstand erreichte. Die Sonne sengte vom Himmel herab, das Thermometer kletterte, nein, schoß in die Höhe, gut über vierzig Grad im Schatten jetzt, und das Gras schien sich zum Himmel emporschwingen zu wollen, fast hüfthoch stand es jetzt und wirkte so hell und leuchtete in der gleißenden Sonne so grell, daß einem die Augen davon schmerzten. Die Bäume, wie gewaschen, dann wieder von Staub überkrustet, schienen zu schimmern, zu glitzern, und Scharen von Papageien kehrten zurück aus den unauffindbaren Verstecken, wo sie während des Regens Schutz gesucht hatten. Pater Ralph kümmerte sich inzwischen wieder um seine vernachlässigten Pfarrkinder, sehr wohl wissend, daß er einen Verweis von höherer Seite nicht zu fürchten brauchte, konnte er doch während seiner Rückfahrt von Drogheda hatte er das Papier gleichsam unter priesterlich jungfräulichem Hemd, unmittelbar neben seinem Herzen, geborgen - einen Scheck über die runde Summe von eintausend Pfund vorweisen. Der Bischof würde sich vor Freude kaum zu fassen wissen.
Die Schafe befanden sich jetzt wieder auf ihren normalen Weiden, und den Clearys blieb gar nichts anderes übrig, als sich nun mit der Outback-Sitte der Siesta vertraut zu machen, und das hieß: Aufstehen früh um fünf, bis Mittag möglichst alles erledigen und dann als zuckende, schwitzende, schattensuchende Leiber zusammensacken und so verharren bis nachmittags um fünf. Das war nicht nur bei den Männern auf den Koppeln
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