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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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zitterten. Vom Federhalter klecksten dunkelblaue Tropfen auf das beschriebene Papier. Sie zog einen frischen Bogen hervor, dann einen zweiten, schrieb das Ganze noch einmal - genauso sicher und genauso ohne Zögern wie zuvor. Dann stand sie auf und bewegte sich schwerfällig zur Tür. »Minnie! Minnie!« rief sie.
    »Allmächtiger, sie ist’s!« klang die Stimme des Dienstmädchens vom Empfangsraum her. Sekunden später schob sich das alterslose, sommersprossige Gesicht um die Tür herum. »Und was kann ich wohl für Sie tun, liebe Mrs. Carson?« fragte sie, insgeheim darüber verwundert, daß die alte Frau nicht nach Mrs. Smith geläutet hatte, denn das pflegte sie sonst zu tun.
    »Suchen Sie den Zaunmacher und Tom. Und schicken Sie beide sofort zu mir.«
    »Sollte ich’s nicht lieber erst Mrs. Smith melden?« »Nein! Tu, was ich dir sage, Mädchen!«
    Tom, der Gartenarbeiter, war schon ein ziemlich alter, verschrumpft wirkender Mann. Ursprünglich mit Wanderbündel und Eßgeschirr unentwegt auf Walze, hatte er vor nunmehr siebzehn Jahren auf Drogheda »schnell mal« einen Job angenommen - und sich dann nicht mehr von den Gärten trennen können. Der Zaunmacher, wie alle seines Schlages ein ruheloser Typ, war normalerweise damit beschäftigt, auf den Koppeln den Draht zwischen den Pfählen straffzuziehen, eine wahre Sisyphusarbeit. Jetzt hatte man ihn zurückbeordert, damit er, der großen Party wegen, die weißen Zäune überall um das Haus und auf der Home Paddock gründlich instand setze. Die beiden Männer erschienen, in Arbeitshosen, Flanellunterhemden, Hosenträger darüber. Beklommen drehten sie ihre Hüte in den Händen.
    »Könnt ihr beide schreiben?« fragte Mary Carson. Sie nickten, schluckten dann.
    »Gut. Ich möchte, daß ihr dabeiseid, wenn ich dieses Papier hier unterzeichne. Direkt unter meine Unterschrift müßt ihr dann eure Namen und eure Adressen schreiben. Habt ihr verstanden?« Sie nickten.
    »Schreibt eure Namen so, wie ihr das immer tut. Eure ständige Adresse bitte möglichst deutlich, am besten in Druckschrift. Mir genügt auch, wenn’s irgendein Postamt mit dem Vermerk >postlagernd< ist. Hauptsache, man kann euch auf diese Weise erreichen.« Aufmerksam beobachteten die Männer, wie sie ihre Unterschrift auf das Papier setzte. Dann trat Tom vor und begann, mühsam zu schreiben. Ihm folgte der Zaunmacher. »Chas. Hawkins«, schrieb er in großen, runden Buchstaben und nannte dann eine Adresse in Sydney. Mary Carson ließ die beiden Männer nicht aus den Augen. Als sie fertig waren, gab sie jedem eine abgegriffene rote Zehnpfundnote und entließ sie dann - nicht ohne die scharfe Ermahnung, über die Angelegenheit ja den Mund zu halten.
    Meggie und der Priester waren inzwischen natürlich längst verschwunden. Mary Carson setzte sich schwerfällig wieder an den Schreibtisch, nahm einen frischen Bogen Papier und begann abermals zu schreiben. Doch diesmal flossen ihr die Worte bei weitem nicht so leicht aus der Feder wie zuvor. Immer wieder hielt sie inne und überlegte, die Lippen gespreizt wie in einem lautlosen Lachen. Offenbar hatte sie viel mitzuteilen, sehr viel, denn sie schrieb engzeilig, und die Worte drängten dicht nacheinander. Als sie fertig war, las sie sich das zuletzt Geschriebene noch einmal durch, schob alle Blätter zusammen, faltete sie und steckte sie in einen Umschlag, den sie mit rotem Wachs siegelte.
    Nur Paddy, Fee, Bob, Jack und Meggie gingen zur Party. Hughie und Stuart sollten zu Hause bleiben, um auf die beiden Kleinen aufzupassen (und waren darüber recht erleichtert, wovon sie sich jedoch nichts anmerken ließen). Da Mary Carson aus Anlaß der Party ausnahmsweise ihre Geldbörse ein wenig geöffnet hatte, war auch für die Familie etwas abgefallen. Alle trugen neue Kleider - das Beste, was Gilly zu bieten hatte.
    Paddy, Bob und Jack fühlten sich wie eingezwängt in eine Rüstung. Sie trugen Hemden mit gestärkter Brust und gestärktem Kragen, dazu eine Frackschleife und außerdem - natürlich - einen Frack mit solch langen Frackschößen, eine entsprechende Hose, beides schwarz, und zudem eine weiße Weste. Meggie und ihre Mutter trugen lange Abendkleider. Fees Kleid, aus Krepp, war von auffallend tiefem, sattem Blaugrau. Es stand ihr ausgezeichnet. Wie in sanften Wellen fiel es bis zum Boden hinab. Der Ausschnitt war großzügig. Die Ärmel, sehr eng anliegend, reichten bis zu den Handgelenken und waren üppig mit Perlchen besetzt, ähnlich dem Stil, wie man

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