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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Weib mehr als den Mann, weil eigentlich sie die Schuld daran trug, daß beide sündig geworden waren. Sie hatte den Mann in Versuchung geführt. Erinnerst du dich noch an die Worte aus der Bibelstunde? >Unter Schmerzen sollst du Kinder gebären. < Damit meinte Gott, daß alles, was mit Kindern zu tun hat, für eine Frau mit Schmerzen verbunden ist. Große Freude, aber auch großer Schmerz. Das ist dein Los, Meggie, und du mußt es akzeptieren.«
    Meggie wußte es nicht und konnte es nicht wissen: Auf genau die gleiche Weise hätte er auch anderen seiner Pfarrkinder versucht zu helfen und ihnen Trost und Zuspruch zu gewähren, wenn auch gewiß in geringerem Maße persönlich beteiligt. Stets zeigte er sich dabei überaus freundlich, doch nie identifizierte er sich mit den Problemen und Nöten, und das war wohl nur gut so, denn um so wirksamer konnten die Hilfe und der Trost sein, die er zu geben versuchte. Es handelte sich um eine Haltung, die er ganz unbewußt einnahm, und nie hatte einer der Hilfesuchenden bei ihm das Gefühl, von oben herab angesehen und wegen seiner Schwäche verurteilt zu werden. Bei vielen Priestern war das anders. Bei ihnen kamen sich die Gläubigen unwürdig und wertlos, wenn nicht gar viehisch vor. Er hingegen vermittelte den Menschen das Gefühl, daß auch ihm Probleme und innere Kämpfe nicht fremd waren. Und mochten solche Probleme und solche Kämpfe oft auch sonderbar und rätselhaft erscheinen, so empfand sie doch jeder, der sie durchlebte, als nur allzu wirklich.
    Was Meggie betraf, so sprach er mit ihr, wie Frank früher mit ihr gesprochen hatte: wie zu seinesgleichen. Doch er war älter, erfahrener und weitaus gebildeter als Frank, als Vertrauter daher noch besser geeignet. Wie schön seine Stimme doch klang, makelloses Englisch, durch das dennoch ein Hauch irischer Mundart gleichsam hindurchschimmerte. Alle Ängste und alle Beklemmungen wischte sie fort. Meggie war jung, und so konnte es nicht verwundern, daß sie jetzt ganz ihrer Wißbegier nachgab, daß sie jetzt viele, wenn nicht alle ungeklärten Fragen beantwortet haben wollte. Er war ihr Freund, ihr angebetetes Idol, die neue Sonne an ihrem Firmament.
    »Warum, Pater, hast du gesagt, daß nicht du, sondern Mum
    mir das eigentlich hätte erzählen müssen!«
    »Nun, es ist eine Sache, die Frauen im allgemeinen unter sich besprechen. Von Menstruation oder Periode spricht eine Frau nun einmal nicht in Gegenwart von Männern oder Jungen.« »Warum nicht?«
    Er schüttelte den Kopf und lachte. »Um aufrichtig zu sein, ich weiß es wirklich nicht. Ich wünschte sogar, es wäre anders. Aber es ist nun einmal so, glaub mir. Nie darfst du zu jemandem davon sprechen, außer zu deiner Mutter. Und ihr solltest du nicht sagen, daß du mit mir darüber gesprochen hast.« »Gut, Pater, ich sag’ ihr nichts davon.«
    Verflixt schwierig, diese Rolle, die er da hatte übernehmen müssen. So vieles wollte genau bedacht sein! »Meggie, du mußt nach Hause gehen und deiner Mutter sagen, daß bei dir Blut gekommen ist, und sie bitten, dir zu zeigen, was man dann macht.« »Bei Mum ist es auch so?«
    »Bei allen gesunden Frauen ist das so. Nur wenn sie ein Baby erwarten, hört es auf. Bis sie das Baby dann zur Welt gebracht haben. Weil es aufhört, wissen sie, wann sie ein Baby erwarten.« »Und warum hört es auf, wenn sie ein Baby erwarten?« »Ich weiß es nicht, Meggie, wirklich nicht. Tut mir leid.« »Und warum kommt das Blut aus meinem Hintern, Pater?« Er sandte einen Blick zum Marmorengel empor, den dieser jedoch recht gelassen erwiderte. Frauenprobleme fielen nicht in sein Ressort. Was Pater Ralph betraf, so schien ihm sein Kragen jetzt ein wenig eng zu werden. Wie hartnäckig Meggie sein konnte, sie, die sonst doch immer so zurückhaltend war! Allerdings begriff er durchaus, daß er für sie gleichsam den Born all jenen Wissens darstellte, für das sie sonst niemanden und nichts hatte, keinen Menschen und kein Buch. Kein Gefühl der Peinlichkeit oder der Verlegenheit durfte jetzt aufkommen, sonst würde sie sich in sich selbst zurückziehen und ihn nie wieder etwas fragen. So antwortete er geduldig: »Es kommt nicht aus deinem Hinterteil, Meggie. Es gibt da, vor deinem Hinterteil, so etwas wie einen verborgenen Korridor, der mit Kindern zu tun hat.« »Oh - wo sie rauskommen, ja? Das habe ich schon immer wissen wollen.«
    Er lächelte breit und hob sie vom Marmorsockel herab. »Nun weißt du’s. Und weißt du auch, wie Babys zustande

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