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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Kochhaus Zwischenstation, um sich die Schuhe abzubürsten und auch Kleider säume und Hosenaufschläge zu säubern. Pater Ralph trug seine Soutane, wie gewöhnlich; kein Abendanzug hätte ihm auch nur halb so gut stehen können wie dieses streng geschnittene, sich nach unten zu leicht weitende Gewand, mit der langen Leiste winziger Knöpfe, die vom Kragen hinabreichte bis zum tiefen Saum; hinzu kam noch der um die Taille geschlungene Gürtel, das Zingulum.
    Mary Carson hatte ein weißes Satinkleid mit weißen Spitzen und weißen Straußenfedern an, und Fee schrak geradezu auf aus ihrer gewohnten Gleichgültigkeit und betrachtete Mary fassungslos: Warum, um alles auf der Welt, hatte sie sich so bräutlich gekleidet, so ganz und gar unpassend - aufgetakelt wie eine alte Jungfer, die alles daran setzte, vor anderen - und vielleicht auch vor sich selbst - so etwas wie eine verheiratete Frau zu spielen. Im übrigen schien sie in letzter Zeit ziemlich zugenommen zu haben, wodurch ihre Erscheinung nicht gerade gewann.
    Paddy jedoch fand offenbar alles in bester Ordnung. Strahlend und mit vorgestreckten Händen trat er auf seine Schwester zu. »Mary, wie reizend du aussiehst! Wie ein junges Mädchen!« In Wirklichkeit ähnelte sie sehr stark der längst verstorbenen Queen Victoria: so wie diese ausgesehen hatte auf jenem berühmten Foto, das kurz vor ihrem Tode gemacht worden war. Die gleichsam herrische Nase, die Furchen an den Nasenflügeln, der eigensinnige Mund, die leicht vorstehenden, so kalt wirkenden Augen - alles fand sich auch hier. Und Mary Carsons eisiger Blick lag jetzt starr auf Meggie.
    Der Priester beobachtete es sehr aufmerksam. Seine Augen glitten zwischen Tante und Nichte hin und her.
    Mary Carson lächelte ihrem Bruder zu, legte ihre Hand auf seinen Arm. »Du darfst mich zum Dinner führen, Padraic. Pater de Bricassart wird Fiona geleiten, und die Jungen werden sich sozusagen Meggie teilen.« Über die Schulter blickte sie zu dem Mädchen zurück. »Wirst du heute abend tanzen, Meghann?« »Sie ist noch zu jung, Mary, noch nicht einmal siebzehn«, erklärte Paddy hastig. Brennend heiß fiel ihm plötzlich auf die Seele, daß es auch in diesem Punkt mit der Erziehung sehr im argen lag - von seinen Kindern konnte kein einziges tanzen. »Wie schade«, sagte Mary Carson.
    Es war eine prachtvolle, eine glänzende, eine gloriose Party
    - zumindest waren dies die Adjektive, die man am häufigsten vernahm. Und schien es übertrieben? Allein schon die Gäste ... Royal O’Mara vom über dreihundert Kilometer entfernten
    Inishmurray war da. Er hatte mit seiner Frau, seinen Söhnen und seiner einzigen Tochter den weitesten Weg gehabt, wenn auch nicht einen um sehr viel weiteren als andere. Die Menschen hier fanden nichts weiter dabei, dreihundert Kilometer weit zu einem Kricket-Match zu reisen, geschweige denn zu einer Party. Auch Duncan Gordon von Each-Uisge war da (nichts hatte ihn je dazu bewegen können, ein Geheimnis preiszugeben: weshalb er nämlich seine so weit vom Meer entfernte Station mit jenem Wort benannt hatte, das im Schottisch-Gälischen Seepferd bedeutete). Und Martin King mit seiner Frau, seinem Sohn Anthony und Mrs. Anthony; er war Gillys Senior-Squatter, denn Mary Carson, als Frau, konnte ja nicht so genannt werden. Und Evan Pugh von Braich y Pwll (was man überall im Distrikt wie Brakeypull aussprach); und Dominic O’Rourke von Dibban-Dibban; und Horry Hopeton von Beel-Beel; und Dutzende mehr.
    Fast ausnahmslos waren es katholische Familien, und nur verhältnismäßig wenige trugen angelsächsische Namen; es gab etwa gleichviel Iren, Schotten und Waliser. Nein, in der alten Heimat hatten sie auf die Home Rule, die Selbstregierung, nicht hoffen können, und - sofern sie als Katholiken in Schottland oder Wales lebten - ebensowenig auf Sympathie von Seiten der protestantischen Mehrheit. Doch hier auf den Tausenden von Quadratkilometern waren sie die Herren, die ihre britischen Herren getrost belächeln konnten: Drogheda, der größte Besitz, umfaßte ein Gebiet von einer solchen Ausdehnung, daß mehrere europäische Fürstentümer hineingepaßt hätten.
    Zu den Klängen der Band aus Sydney drehten sie sich im Walzertakt, und dann räumten sie das Feld und schauten nachsichtig zu, wie ihre Kinder den Charleston tanzten. Sie aßen Hummerpastetchen und gekühlte rohe Austern, sie tranken fünfzehn Jahre alten französischen Champagner und zwölf Jahre alten Single-Malt-Scotch. Insgeheim allerdings

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