Die Drachenflotte (German Edition)
umdrehen, aber der Weg war zu schmal, der Hang zu steil und die Biegungen viel zu scharf für ein Wendemanöver. In wachsender Panik quälte sie sich weiter voran, bis sie einen Haufen Felsbrocken und Geröll erreichte, den ein kleiner Erdrutsch auf dem Weg hinterlassen hatte. Sie überquerte ihn im Schneckentempo, beinahe seitlich in ihrem Sitz hängend. Ihre Erleichterung darüber, es sicher auf die andere Seite geschafft zu haben, hielt nur bis zur nächsten Haarnadelkurve an. Sie führte sie zu der Stelle auf dem oberen Wegstück, wo der Erdrutsch sich gelöst hatte. Von der schmalen Fahrbahn war nichts übrig geblieben. Weiter vorwärts ging es nicht mehr. Sie saß fest.
Sie schrie laut vor Entsetzen und Frustration, der Schrei verlor sich mit nachhallendem Echo in der Stille. Ein wilder Hund bellte. Das Leben ihres Vaters und ihrer Schwester hing von ihr ab, und sie hatte sich schon unglaublich verspätet. Irgendwie musste sie sofort zur Hauptstraße zurück. Da wenden unmöglich war, konnte sie es nur im Rückwärtsgang versuchen. Rückwärts die Haarnadelkurve zu bewältigen, war ein Albtraum. Immer wieder zog sie die Handbremse und beugte sich zum Fenster hinaus, um sicherzugehen, dass ihre Räder nicht von der Kante abglitten. Und selbst nachdem das Manöver gelungen war, musste sie noch die Geröllbarriere überqueren. Schon im Vorwärtsfahren war das schwierig genug gewesen. Im Rückwärtsgang war es schweißtreibend. Steine spritzten unter den Rädern weg und kollerten den steilen Hang hinunter, bis sie irgendwo im Dickicht hängenblieben. Jedes Mal, wenn sie hörte, wie sich wieder eine kleine Kaskade losbrach, blieb ihr fast das Herz stehen. Der Jeep hatte bereits so starke Schlagseite, dass sie hilflos gegen die Fahrertür gedrückt wurde und in den Spiegeln überhaupt nichts mehr sehen konnte.
Und dann, wohl unvermeidlich, wurde aus dem stetigen dünnen Strom von Steinen eine wahre Lawine, und der Boden unter ihr brach einfach weg. Der Jeep begann, den Hang hinunterzurutschen, ein Schiff, das seitlich in die See geschleudert wurde.
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Kapitel 36
I
S o schnell es die Piste zuließ, fuhr Knox nach Süden. Die abgefahrenen Reifen der Maschine gerieten auf dem Staub leicht ins Rutschen, sodass er immer wieder einen Fuß aufsetzen musste, um sich zu retten. Er schaffte es in passabler Zeit nach Toliara, wo er anhielt, um einen Blick auf den GPS-Empfänger zu werfen. Rebecca hatte endlich den Sender eingeschaltet. Die Karte von Madagaskar auf dem Tracker hatte zwar ihre Mängel, aber es war deutlich zu erkennen, dass sie die Straße nach Ilakaka genommen hatte. Er folgte den Wegweisern durch die Vorstädte, dann wurde die Straße besser. Er gab Vollgas. Bis zu der Stelle, von der das letzte Signal gekommen war, brauchte er nicht lang, aber von Rebecca war weit und breit nichts zu sehen. Ihrer Nachricht zufolge hatte sie das Gerät auf stündliche Übertragungen eingestellt. Er würde einfach warten müssen. Da er sonst nichts zu tun hatte, schaltete er sein Handy ein und hörte, als er merkte, dass er ein Netz hatte, seine Nachrichten ab. Die meisten waren von Miles, der sich zunehmend angespannt anhörte, jedes Mal wissen wollte, wo er abgeblieben sei, und ihn immer dringender bat, sich so bald wie möglich zu melden.
«Na, das wurde aber auch Zeit, verdammt noch mal», platzte er heraus, als Knox ihn anrief. «Bist du auf dem Rückweg?»
«Noch nicht», sagte Knox.
«Hier wird’s allmählich ungemütlich», berichtete Miles. «Wir haben rein gar nichts gefunden, unsere neuen Untersuchungen waren negativ, und die Chinesen wittern bereits etwas. Sie schicken eine Delegation her.»
«Das fehlt gerade noch. Wann denn?»
«Übermorgen. Ich brauche dich hier. Keine Ausflüchte. Wir müssen ihnen wissenschaftlichen und archäologischen Sand in die Augen streuen. Den wissenschaftlichen Teil kann ich übernehmen, aber für die Archäologie brauche ich dich.»
«Ich komme», versprach Knox. «Aber weißt du, was: Ich glaube, ich bin hier auf etwas gestoßen.»
«Auf was?»
«Erst musst du mir dein Wort geben: Du sagst Cheung keinen Ton. Und auch sonst niemandem. Jedenfalls vorläufig nicht.»
«In Ordnung. Und jetzt raus damit.»
Er berichtete Miles in aller Kürze. Von den Keramikscherben an den Wänden des Hauses in Eden; von Adams Interesse an mittelalterlichen Karten; vom Keller im Bootshaus und von den chinesischen Artefakten. Er umriss seine Theorie von dem chinesischen
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