Die Drachenflotte (German Edition)
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Laut schreiend, einen großen Stein wurfbereit in der Hand, stürmte Rebecca aus den Bäumen zu seiner Linken. Er hob die Arme, um sich zu schützen, aber sie hatte ihn schon erkannt.
«Sie?», rief sie. «Was zum Teufel tun Sie hier?» Aber dann fiel ihr Blick auf den GPS-Empfänger, und ihre Frage beantwortete sich von selbst. «Den habe ich doch Therese hingelegt», protestierte sie.
«Herrgott noch mal», sagte er. «Sie können doch so was nicht im Alleingang erledigen. Warum haben Sie mir nichts gesagt?»
«Weil die es mir verboten haben. Sie haben Adam und Emilia in ihrer Gewalt und haben mir gedroht, sie beide zu töten, wenn ich mit jemandem rede.»
«Sie leben? Sind Sie sicher?»
«Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Er sagte, ‹es geht uns gut› . Er hat ‹uns› gesagt.»
«Wie wunderbar», sagte Knox.
«Aber ich bin spät dran», sagte sie. «Ich bin wahnsinnig spät dran.»
«Dann wollen wir mal, hm?» Er nahm ihr die Reisetasche ab und führte sie zum Motorrad. «Wohin?», fragte er.
«Sie haben gesagt, ich soll hinter einem orangefarbenen Straßenstand rechts abbiegen. Da vorn war auch ein Stand. Und er hat orange ausgesehen.» Sie hechelte vor Anstrengung, ihre Panik niederzukämpfen. «Ich muss es falsch verstanden haben.»
Er sah, wie nahe sie einem Zusammenbruch war, und legte seine Hand auf ihre Wange. «Beruhigen Sie sich, Rebecca», sagte er. «Entführer haben starke Nerven. Das gehört zu ihrem Geschäft. Sonst würden sie so was nicht machen. Und außerdem sind sie habgierig. Fünfhundert Millionen Ariary sind ein Haufen Geld. Es ist noch nicht vorbei, glauben Sie mir. Ganz bestimmt nicht.»
Sie nickte und legte ihre Hand auf die seine. «Tut mir leid wegen gestern Abend», sagte sie. «Ich war einfach fertig.»
«Es war meine Schuld», erwiderte er. «Ich hätte Ihnen gleich am ersten Abend die Wahrheit sagen sollen. Ich hatte gute Gründe, es nicht zu tun, glauben Sie mir, aber ich hätte trotzdem –»
«Ist schon okay.» Sie drückte seine Hand. «Die Erklärungen haben Zeit. Jetzt müssen wir erst mal los.»
Er setzte sich auf die Maschine, die Reisetasche vor sich auf den Knien. Rebecca kletterte auf den hinteren Sitz und hielt sich mit dem rechten Arm an ihm fest. Als sie die Hauptstraße erreichten, bog er in Richtung Ilakaka ab. Nach ungefähr zehn Minuten kamen sie zu einem leuchtend orangefarbenen Straßenstand, hinter dem ein breiter, dünn mit Gras bewachsener Weg nach rechts abzweigte. Er sah sich nicht nach ihr um, weil er fürchtete, sie würde es als Vorwurf verstehen, sondern bog einfach ein und folgte dem Weg zu einer hellen Lichtung mit einem uralten Tamarindenbaum in der Mitte. Er umkreiste ihn einmal, bevor er anhielt. Als Rebecca abgestiegen war, bockte er die Maschine auf.
«Hier müsste eigentlich eine große gelbe Tasche sein», sagte sie.
«Wahrscheinlich haben sie sie schon geholt. Schreiben Sie eine Nachricht. Erklären Sie, was passiert ist, und versichern Sie ihnen, dass Sie das Geld haben und ihnen aushändigen wollen. Und schreiben Sie dazu, wie Sie zu erreichen sind.»
Sie nickte, holte einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche und begann zu schreiben. Doch dann zögerte sie. «In Eden haben wir kein Netz», sagte sie.
«Dann bleiben wir eben heute Nacht in Toliara.»
«Wie hieß noch mal das Hotel?»
Er sagte es ihr. Sie schrieb die Botschaft zu Ende und legte den Zettel mit einem Stein beschwert an den Stamm des Tamarindenbaums. Er bemerkte, dass sie nur mit der rechten Hand arbeitete, und fragte, als sie zum Motorrad zurückgingen, stirnrunzelnd: «Was ist mit Ihrem linken Arm?»
«Ich habe mir die Schulter ausgekugelt, als ich den Jeep zu Schrott gefahren habe.»
«Herrgott! Warum haben Sie nichts gesagt?»
«Es geht schon. Ich habe sie wieder eingerenkt.»
«Sie haben was ?»
«Es ist kein großes Ding», versicherte sie, als sie sich wieder aufs Motorrad setzte. «Man rammt sie einfach gegen den nächsten Baum.»
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Kapitel 37
I
B oris kam mitten am Nachmittag in Eden an. Zuerst sah er das Boot, dann das Bootshaus und das Hinweisschild. Er stellte sein Gepäck ab und ging am Rand der Bäume entlang, die Heckler & Koch in seiner Hosentasche schussbereit für den Fall, dass jemand kommen sollte. Aber es kam niemand.
Er folgte der Einfahrt zu der Anlage hinauf. Auch dort war niemand. Das Hauptgebäude war abgeschlossen, und die Hütten waren alle leer. Nirgends eine Spur von Knox. Er lief zum Strand
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