Die Drachenflotte (German Edition)
Besuchern mit schwarzer Haut gehört. Hinweise gab es auch aus dem Reich der Pflanzen. Die Süßkartoffel, in Amerika heimisch, hatte sich lange vor Kolumbus über Polynesien verbreitet. Das in Peru zur Mumifizierung verwendete Harz stammte von Bäumen aus Neuguinea. In Zentralamerika hatte man afrikanische Kürbispflanzen gefunden. Amerikanische Paprika waren von Aristoteles’ Schüler Theophrastus beschrieben worden, und auf einem Mosaik in Pompeji war eine Ananas zu sehen. An der chilenischen Küste, weit südlich von Tumbes, hatte man Hühnerknochen gefunden, bei denen man mittels Karbondatierung nachgewiesen hatte, dass sie aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammten, obwohl Hühner angeblich erst von den Europäern eingeführt worden waren. Aber letztlich war es doch eine ziemlich magere Liste von Beweisen, zumal jeder einzelne Befund sich ebenso gut auf natürliche Ursachen, Betrug oder Zufall zurückführen ließ. Eine außergewöhnliche Theorie bedurfte eines außergewöhnlichen Beweises.
Hatte er den soeben gefunden?
II
Rebecca wartete einen Moment, um ruhig zu werden, bevor sie das Handy ergriff. «Hier spricht Rebecca Kirkpatrick», sagte sie.
«Haben Sie das Geld?» Eine Männerstimme, aber die Verbindung war zu schlecht, das Rauschen zu laut, als dass sie mehr hätte erkennen können.
«Ja», log sie. «Ja, ich habe es.»
«Sie haben eine Stunde Zeit. Unter –»
«Ich möchte mit meinem Vater sprechen.»
«Sie haben eine Stunde Zeit. Unter Ihrem –»
«Entweder Sie lassen mich mit meinem Vater sprechen, oder Sie bekommen gar nichts», schrie sie und brach das Gespräch ab. Mit dem Telefon in der zitternden Hand wartete sie darauf, dass es erneut läuten würde, betete, dass es läuten würde. Der Mann, dem es gehörte, streckte zögernd den Arm aus, um es wieder an sich zu nehmen. Sie hob abwehrend die Hand. Sie würden wieder anrufen. Für fünfhundert Millionen Ariary würden sie es noch einmal versuchen. Wenn nicht, bedeutete das, dass Adam und Emilia gar nicht bei ihnen waren, dass alles nur Schwindel gewesen war. Sie würde direkt zu Andriama gehen und ihm sagen –
Das Handy begann plötzlich zu vibrieren. Beinahe hätte sie es fallen gelassen. «Noch einmal», sagte der Mann, als sie sich meldete, «und wir töten sie beide. Haben Sie das verstanden?»
«Ich möchte mit meinem –»
Eine andere Stimme meldete sich. «Rebecca. Rebecca, mein Liebling.»
Der Klang seiner Stimme ließ sie erstarren. Sie hätte sie überall erkannt. «Dad», rief sie aufgebracht. «Dad!»
«Bitte, Rebecca. Tu, was sie verlangen. Es geht uns gut, aber –»
Der Entführer meldete sich wieder. «Sie haben eine Stunde Zeit», sagte er kurz. «Unter Ihrem Scheibenwischer liegt eine Karte. Folgen Sie der Wegbeschreibung bis zum gekennzeichneten Ort. Fahren Sie allein. Wir beobachten Sie. Haben Sie verstanden?»
«Ja.»
«Dort finden Sie eine gelbe Tasche. Legen Sie das Geld in die Tasche und fahren Sie nach Toliara zurück. Reden Sie mit niemandem. Wenn wir den vollen Betrag haben, lassen wir Ihren Vater und Ihre Schwester frei. Wenn etwas fehlt –» Die Verbindung wurde unterbrochen. Rebecca starrte das Handy benommen an. Der Händler nahm es ihr ab und bat entschuldigend um Geld. Sie griff in ihre Tasche und drückte ihm ein paar Scheine in die Hand. Sie konnte sich nicht konzentrieren, sie konnte an nichts anderes denken als an die Stimme ihres Vaters. Rebecca, mein Liebling. Nie zuvor hatte er sie so genannt. Yvette war immer sein einziger Liebling gewesen. Sie war wie berauscht, beglückt und angstvoll zugleich. Rebecca, mein Liebling. Er lebte. Emilia lebte. Sie würde sie beide zurückbekommen. Auf wackeligen Beinen ging sie zum Jeep. Eine Karte. Der Mann hatte etwas von einer Karte gesagt. Aber wo? Sie konnte sich nicht erinnern. Sie suchte fieberhaft, bis sie sie unter den Scheibenwischer geklemmt entdeckte.
«Hey!»
Rebecca drehte sich um. Andriama war auf dem Weg zu ihr. Sie warf die Karte auf den Beifahrersitz, kletterte hastig in den Wagen und gab Gas. Andriama lief ihr ein paar Schritte nach, bevor er aufgab und einem Taxi winkte. Bei der ersten Gelegenheit bog sie nach links ab, dann gleich wieder links, um sich im Gewirr der Gassen zu verstecken. Sie schaute in den Rückspiegel, konnte keinen Verfolger entdecken. Sie entfaltete die grob gezeichnete Karte auf dem Lenkrad, während sie fuhr, aber beim Rumpeln des Wagens konnte sie sie kaum lesen, zumal ihre Augen voller Tränen waren und
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