Die Drachenflotte (German Edition)
Entführer.
Abrupt blieb sie stehen, als ihr der Gedanke kam, es könnte ein viel weiter reichender Plan hinter der Entführung stecken. Mustafa wollte Eden haben; die Entführung hatte ihm die Chance geliefert, es an sich zu bringen. Aber war das nur Zufall gewesen, oder steckte tatsächlich ein Plan dahinter? War es möglich, dass Mustafa selbst die Entführung eingefädelt, dass er die ganze Sache einzig zu dem Zweck geplant hatte, ihr Eden abzuluchsen? Je länger sie darüber nachdachte, desto plausibler erschien es ihr. Auch Mustafas Fahrt nach Ilakaka passte bestens ins Bild. Es konnte reines Theater gewesen sein, um dafür zu sorgen, dass sie sich hoffnungslos verspätete und dann in ihrer Panik blind alles unterschreiben würde, was er ihr vorlegte; und um seinem Wort Glaubwürdigkeit zu verleihen, sollte sie Verdacht schöpfen und versuchen, den Vertrag gerichtlich anzufechten. Damit hätte er Eden für einen Preis an sich gebracht, der nur einen Bruchteil des wahren Werts darstellte. Nein, falsch, er hätte es für nichts bekommen. Denn hätte sie das Geld wie vereinbart unter dem Tamarindenbaum hinterlegt, hätte er es sich in aller Ruhe holen können und dann beides gehabt, den Vertrag, mit dem sie ihm Eden überschrieben hatte, und sein Geld. Aber Eden würde er nur bekommen, wenn sie die Alleineigentümerin war. Und deshalb …
Sie hatte das Gefühl, ihr bliebe das Herz stehen. Mit einem Aufschrei rannte sie zu dem Toyota.
II
Boris bewachte Knox scharf, als er ihn die Treppe hinaufführte. So wie der Kerl sich verhielt, schien er seine Story gekauft zu haben, aber er wusste nur zu gut, dass man ihm keinen Schritt über den Weg trauen konnte. Oben, an der Tür des Bootshauses, wo er seinen Laptop zurückgelassen hatte, erklärte er Knox, wie man das IP-Terminal ausrichten und dann an den Laptop anschließen musste. Als dieser fertig war, befahl er Knox, die Arme nach hinten zu nehmen, und legte ihm Plastikhandschellen an.
«Was zum Teufel soll das?», fragte Knox.
«Nur zur Sicherheit», antwortete Boris. Er stellte den Laptop auf den Arbeitstisch, öffnete ihn, stellte eine Breitbandverbindung her, rief Georgien an und absolvierte das Sicherheitsprotokoll. Es war nicht seine übliche Gesprächszeit; es dauerte länger als eine Minute, ehe Sandro sich zeigte. «Ich habe jemanden für Sie», sagte Boris und zog Knox ins Bild.
Sandro beugte sich vor und blickte mit zusammengekniffenen Augen auf seinen Bildschirm. «Daniel Knox?»
«Ja», antwortete Knox.
«Sehen Sie?», sagte Boris.
Sandro ignorierte ihn und richtete das Wort an Knox. «Sie planen ein Bergungsprojekt vor unserer Küste, wenn ich recht unterrichtet bin», sagte er.
«Jetzt nicht mehr», erwiderte Knox. «Ich habe es abgeblasen.»
«Und warum sollte ich Ihnen das glauben? Sie haben doch gerade zugegeben, dass Sie es auf uns abgesehen hatten.»
«Stimmt», bekannte Knox. «Ich hatte es auf Sie abgesehen. Ich hatte es auf Sie abgesehen, weil Sie damals Ihren abartigen Sohn nach Griechenland geschickt haben, wo er kaltblütig meine Verlobte ermordet hat. Und weil Sie dann ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt und mich praktisch zum Vogelfreien gemacht haben. Ich konnte nicht einmal Gailles Grab besuchen, ich konnte nicht einmal trauern.» Er musste gegen den von neuem aufsteigenden Zorn ankämpfen und atmete tief durch. «Aber es ist vorbei. Es war schon vorbei, bevor das hier passiert ist. In meinem Leben gibt es jetzt Wichtigeres als Ihre Familie.»
«Zum Beispiel?»
«Zum Beispiel, dass Sie das nichts angeht.»
«Dann kann ich mich also darauf verlassen? Wenn wir Sie in Ruhe lassen, lassen Sie uns auch in Ruhe? Habe ich Ihr Wort?»
«Ja, Sie haben mein Wort.»
«Was soll das?», fragte Boris aufgebracht auf Georgisch.
«Wir lassen ihn laufen.»
«Aber Ihr Vater hat mir –»
«Mein Vater ist tot, Boris. Er ist heute in den frühen Morgenstunden gestorben.»
Boris erstarrte. «Wir hatten eine Abmachung.»
«Die Abmachung hatte mein Vater getroffen. Ich –»
«Nein, Sie beide. Sie beide haben die Abmachung mit mir getroffen.»
«Mein Vater ist tot. Jetzt bin ich das Oberhaupt der Familie Nergadse. Die Abmachung besteht nicht mehr. Meine Entscheidung ist endgültig.»
«Das können Sie nicht machen.»
«Ich habe Ihnen hunderttausend Euro zugesagt, wenn Sie Knox finden. Sie haben ihn gefunden. Ich werde Ihnen Ihren Lohn in vollem Umfang bezahlen. Bei Ihrer Rückkehr und wenn Knox unversehrt bleibt, werde ich Ihnen eine
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