Die Drachenflotte (German Edition)
sie auf die leichte Schulter zu nehmen. Bisher hatte Mustafa lediglich auf ihren Anteil an Eden einen rechtlichen Anspruch. Wenn er es ganz in seinen Besitz bringen wollte, musste vorher Emilia sterben. Und wenn er es für der Mühe wert hielt, Emilia zu töten, würde er zweifellos auch Adam töten. Was sie jetzt tat, konnte entscheidend sein, sie konnte sich nicht den kleinsten Fehler erlauben.
Sie versuchte, sich in Mustafa hineinzuversetzen. Gehörte er zu denen, die beim ersten Rückschlag aufgaben, oder behielt er in jeder Situation die Nerven? Sie hatte immer noch seine fünfhundert Millionen Ariary. Wenn er gierig war, würde er Emilia und Adam am Leben lassen, bis eine zweite Übergabe vereinbart war, nur für den Fall, dass sie erneut verlangen würde, mit ihnen selbst zu sprechen. Vielleicht hatte ihnen das Schlamassel von gestern sogar das Leben gerettet. Aber vielleicht nicht für lange. Sie musste sie finden, so schnell wie möglich. Nur hatte sie keine Ahnung, wo sie suchen sollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Mustafa es riskieren würde, sie in seinem Haus festzuhalten, wo seine Frau und seine Tochter lebten. Aber er war Import-Export-Händler, er hatte bestimmt überall in der Stadt und Umgebung Lagerhäuser und Ähnliches. Andriama kannte wahrscheinlich einige davon, aber sobald sie anfingen herumzustöbern, würde Mustafa merken, dass sie ihm auf die Schliche gekommen waren, und das Nötige tun, um seine Spur zu verwischen. Das konnte sie nicht riskieren. Sie fühlte sich hilflos. Doch dann ging ihr auf, dass sie Adam und Emilia ja gar nicht zu finden brauchte. Wenn sie sich irgendwie überzeugende Hinweise oder sogar Beweise beschaffen konnte, dass Mustafa der Entführer war, würde sie ein Druckmittel haben, um mit ihm über die Freilassung Adams und Emilias zu verhandeln.
Ein unscheinbares Detail von ihrem ersten Besuch in Mustafas Haus fiel ihr ein. Nachdem er ihr versprochen hatte, ihr bei der Beschaffung des Lösegelds zu helfen, hatte sie gefragt, ob sie sich vor der Rückfahrt nach Eden noch frisch machen dürfe. Als er sie ins Haus führte, hatte einer seiner Angestellten ihn zu einem wichtigen Telefonat gerufen. Er hatte sich bei ihr entschuldigt und war in seinem Arbeitszimmer verschwunden, wobei er die Tür so schnell geöffnet und geschlossen hatte, als wollte er vermeiden, dass sie einen Blick ins Zimmer warf.
Sie hatte sich damals nichts weiter dabei gedacht, als dass ihm offensichtlich seine Privatsphäre wichtig war. Aber jetzt fragte sie sich, ob sich nicht irgendetwas in dem Zimmer befunden hatte, was sie auf keinen Fall sehen sollte. Es war nicht mehr als eine Spekulation, aber ihr nachzugehen, war immer noch besser, als hier herumzusitzen und nichts zu tun. Sie startete den Toyota.
II
Das ohrenbetäubende Knirschen des Metalls hielt Boris davon ab, Knox zu erschießen. Er wusste, was es zu bedeuten hatte, und die Welt schien stillzustehen, als er auf den Einsturz des Regals wartete, den er selbst herbeigeführt hatte. Scheppernd und klirrend krachte es zu Boden und begrub unzählige Keramikscherben unter sich. Er schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder, voll glühendem Hass auf Knox. «Wenn diese zwei Stücke zerbrochen sind …», zischte er.
«Es sind noch mehr da», sagte Knox, die Hände über den Kopf erhoben. «Massenhaft.»
«Wo?»
Er wies mit dem Kopf zum Meer. «Da draußen.»
«Glauben Sie, Sie können mich verarschen?»
«Ich schwöre es. Ich habe sie gestern gefunden. Ich bringe Sie raus.»
«So wie Sie uns zum Goldenen Vlies bringen wollten?», spottete Boris.
«Das Goldene Vlies hat existiert», entgegnete Knox. «Genau wie das da draußen existiert. Sie haben die Stücke unten gesehen. Glauben Sie, sie sind aus dem Nichts aufgetaucht? Sie stammen von einem chinesischen Schiff, das vor dem Riff gesunken ist.»
«Quatsch, das ist weiter im Norden.»
«Nein. Das glaubten wir zuerst, aber wir haben uns geirrt. Es ist noch bis hierher gekommen, bevor es gesunken ist. Daher stammt die Schale. Und auch der Flakon. Und dort unten liegen noch Dutzende solcher Stücke. Ach was, Hunderte. Nicht nur Porzellan. Auch Gold und Schmuck.»
«Und das haben Sie einfach alles da unten liegengelassen?», höhnte Boris.
«Ich bin Archäologe und kein Plünderer.»
Boris lief rot an und richtete die Waffe von neuem auf Knox. «Wo genau liegt das Zeug?», fragte er. «Beschreiben Sie mir die Stelle.»
«Sie befindet sich in vierzig Metern Tiefe»,
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