Die Drachenflotte (German Edition)
Prämie –»
«Kommt nicht in Frage», unterbrach Boris. «Scheiße. Ich komm doch gar nicht bis nach Hause, wenn ich ihn leben lasse. Der rennt doch sofort zu den Bullen.»
«Er hat uns sein Wort gegeben.»
«Sein Wort!», spie Boris. «Und wie verlässlich ist das?»
«Ich vertraue ihm.»
«Ja, klar, Sie vertrauen ihm. Ich würde ihm auch vertrauen, wenn ich sicher und wohlbehalten in Georgien hocken würde.»
«Ich warne Sie, Boris.»
«Fünfzehn Monate habe ich in diesem beschissenen griechischen Knast gesessen. Fünfzehn Monate! Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, wie das war? Haben Sie auch nur einen Schimmer, was die da mit mir gemacht haben?»
«Es tut mir leid, dass –»
«Es tut Ihnen leid», äffte er Sandro wütend nach. «Kann ich mir dafür was kaufen? Ihr Vater hat mir einen Auftrag gegeben, und ich erledige ihn, und Sie zahlen mir den vollen Lohn, genau wie Sie’s versprochen haben.» Er hob sein Videophon, das er bisher gesenkt gehalten hatte. «Haben Sie im Ernst geglaubt, ich würde unsere kleinen Gespräche nicht aufzeichnen? Haben Sie das im Ernst geglaubt? Ich habe eine Aufnahme von unserer ersten Besprechung über diesen Auftrag. Ich habe eine Aufnahme von unserem Gespräch über die Waffe, die Sie mir besorgt haben. Die landen alle bei der Polizei, wenn Sie glauben, Sie können mich prellen.» Er knallte den Deckel des Laptop zu und blieb schwer atmend stehen. Wut, Angst, Frustration, blinder Rachedurst tobten in ihm. Mit einem wütenden Blick zu Knox drückte er ihm die Heckler & Koch an die Schläfe und stieß ihn zur Kellertreppe.
«Was soll das?», fragte Knox. «Ich dachte, wir hätten eine Abmachung.»
«Na klar», spottete Boris. «Damit Sie mich wieder den Bullen ausliefern können.»
«Ich gebe Ihnen mein Wort.»
«Ach, und Sie glauben, das bedeutet mir was?» Er stieß Knox vor sich die Treppe hinunter. Unten angekommen, trat er ihm in die Kniekehlen, sodass er zu Boden fiel.
«Das ist doch verrückt», sagte Knox. «Das ist doch nicht nötig.»
Boris richtete die Pistole auf ihn, den Finger am Abzug. Seine Wut war so weit abgeflaut, dass er an die Konsequenzen denken konnte. Niemals würde Sandro ihm verzeihen, was er soeben getan hatte. Pragmatisch war etwas anderes als schwach. Georgien konnte er jetzt vergessen, er würde ganz von vorn anfangen müssen. Aber womit? Sein Blick wanderte die Regale entlang und fiel auf eine blau-weiße Porzellanschale, die genauso aussah wie die in den Zeitungsausschnitten, die Sandro ihm gegeben hatte. Auf einer Versteigerung war sie für Millionen verkauft worden. Die Waffe unverwandt auf Knox gerichtet, ging er vorsichtig hinüber und nahm sie zur Hand. Sie war perfekt, absolut makellos. Und daneben stand ein emaillierter Flakon, der, wenn sein Laienauge ihn nicht trog, noch wertvoller war. Er brauchte nur den richtigen Hehler, dann würde er vielleicht zwanzig Cent für den Dollar bekommen. Wenn diese Stücke so viel wert waren, wie er vermutete, würde er –
Er fuhr herum, als Knox seine Zerstreutheit nutzte, um aufzuspringen und zur Treppe zu sprinten. Er riss die Waffe hoch, aber es war zu spät. Fluchend stellte er die Schale weg und rannte Knox nach, packte das Ende des Regals und schwang sich an ihm herum. Er erreichte die Treppe im selben Moment, als Knox oben stolperte, gegen die Mauer schlug und auf den Rücken stürzte. Von neuer Wut und Rachgier getrieben, erreichte er die oberste Stufe. Er zielte auf Knox’ Gesicht, legte den Finger um den Abzug und begann, ihn langsam zu krümmen.
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Kapitel 41
I
R ebecca war auf dem Weg zur Polizei, als ihr klar wurde, dass Mustafa beinahe mit Sicherheit von diesem Besuch Wind bekommen würde. Wenn er wirklich auf ihrer Seite war, würde er ihn als Vertrauensbruch auffassen; wenn er ihr Gegner war, würde es ihn warnen. Sie fuhr an den Straßenrand und versuchte Andriama anzurufen, doch er war, wie ihr gesagt wurde, in einer Besprechung und wurde erst in ein, zwei Stunden zurückerwartet. Sie versuchte es unter seiner Handynummer, hatte aber auch hier kein Glück. Sie hinterließ ihm eine Nachricht, in der sie ihren Verdacht andeutete, und bat ihn, sie so bald wie möglich zurückzurufen. Sie blieb am Straßenrand stehen und zwang sich, vernünftig zu überlegen. Manchmal war sie überzeugt, dass sie völlig paranoid war und Mustafa natürlich auf ihrer Seite stand. Aber dann regten sich wieder die Zweifel. Und es stand zu viel auf dem Spiel, um
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