Die Drachenflotte (German Edition)
können ein Leben lang graben, ohne je so einen Fund zu machen.»
«Stimmt.»
Rickys Miene trübte sich flüchtig, als verdächtigte er Knox, sich über ihn lustig zu machen. Aber gleich strahlte er wieder. «Lucia ist zu uns gekommen, weil sie einen Artikel über mich schreiben möchte.»
«Eigentlich über die Bergung.» Sie nahm die Sonnenbrille ab, und auffallend blaue Augen kamen zum Vorschein. Sie war schätzungsweise Mitte vierzig, hatte ein hübsches, offenes Gesicht und den hellen, sommersprossigen Teint, der Schutz vor der madagassischen Sonne nötig hatte.
«Freut mich, Sie kennenzulernen», sagte Knox.
«Ich lasse Sie beide allein, wenn es Ihnen recht ist», sagte Ricky. «Unser Danny-Boy ist genau der Richtige, um Ihnen all Ihre Fragen über Geschichte und Archäologie zu beantworten.» Er nickte ihnen jovial zu, dann ging er zügig nach hinten zum Kran, wo gerade die Bergung des Ankers anlief, und gab Maddow the Shadow lauthals die völlig überflüssige Anweisung, diesen Moment für die Nachwelt festzuhalten.
«Na, der ist echt gut», bemerkte Lucia missfällig. «Der will Ihnen doch die Schau stehlen.»
«Er hat dreißig Jahre auf diesen Moment hingearbeitet», erwiderte Knox. «Ich bin noch nicht mal eine Woche hier.»
«Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so viel von sich selbst redet», sagte sie. «Immer nur ich, ich, ich.»
Knox beschränkte sich auf ein höfliches Lächeln, zu klug, um einer Journalistin billig Material über interne Unstimmigkeiten zu liefern. «Sie haben ein paar Fragen an mich?»
«Ja.» Sie bedachte ihn mit einem sonnigen Lächeln, mit dem sie wohl seine Sympathie gewinnen wollte. «Ich bin eigentlich Reiseautorin. Damit finanziere ich meine Urlaubsreisen. Wenn ich für einen Monat oder so mit einem bestimmten Ziel losziehe, nehme ich immer einen Haufen Ideen für mögliche Dokumentationen und Reportagen mit, aber ich weiß nie genau, aus welchen davon wirklich etwas wird und aus welchen nicht.»
«Ah ja.»
«Eigentlich wollte ich heute zum Eden-Naturschutzpark hinunter.»
«Zu den Kirkpatricks?»
«Sie kennen sie?»
Knox antwortete mit einem nichtssagenden Schulterzucken. «Sie sind hier an der Küste ziemlich bekannt.»
«Sie wollten mir eine Nachricht hinterlassen, um welche Zeit mein Besuch ihnen am besten passt. Aber bei mir im Hotel ist nichts angekommen. Da habe ich es für das Gescheiteste gehalten, mir auf jeden Fall noch eine andere Story zu sichern. Der Hotelportier meinte, ich solle doch mal hier herausfahren, und hat es dann netterweise gleich für mich arrangiert. Aber ich hatte natürlich keine Gelegenheit, mich in das Thema einzulesen, und Ihr Chef ist ja nicht zu bremsen, wenn er erst mal in Fahrt gekommen ist. Diese ganzen Geschichten über China und die Schatzflotten – ehrlich, die meiste Zeit hatte ich keine Ahnung, wovon er redet.»
Knox nickte. Ricky war bekannt dafür, dass er, statt Fragen zu beantworten, lieber Vorträge hielt. «Es geht Ihnen also um Hintergrundwissen?»
«Ja, genau.»
«Okay», sagte Knox. «Dann wollen wir mal einen kleinen Abstecher ins China des dreizehnten Jahrhunderts machen.»
II
Als Sandro Nergadse Boris zum Hof hinausbegleitete, zog er ihn zur Seite, außer Hörweite von Personal und Leibwächtern. «Eine Frage noch», sagte er.
«Ja?»
«Was halten Sie von Davit Kipshidse?»
Boris wurde rot vor Wut. Davit war ein ehemaliger Rugby-lock, einer von diesen wuchtigen Zweite-Reihe-Stürmern, ein Mann fürs Grobe, den er ein paarmal eingesetzt hatte, weil der Riesenkerl einem allein durch seine Anwesenheit einen Haufen Ärger ersparen konnte. Aber als das griechische Unternehmen gescheitert war, war er umgefallen wie ein morscher Baum und hatte gar nicht mehr aufgehört zu quasseln. «Sie hätten ihn in Athen verrotten lassen sollen», sagte er verbittert.
«Damit er dann in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung ausgepackt hätte?», fragte Sandro. «Außerdem gehört er zu uns. Sein Vater hat einige Male hervorragende Arbeit für uns geleistet; seine Schwester ist mit meinem Cousin verheiratet. Und bei vielen unserer Leute ist er beliebt. Sie behaupten, dass das, was in Athen passiert ist, nicht seine Schuld war. Ihrer Meinung nach hätte man ihn gar nicht erst für so eine Aufgabe einsetzen dürfen.»
Boris wehrte sich. Er selbst hatte Davit für diesen Auftrag ausgesucht, wie Sandro sehr wohl wusste. «Er hat vorher immer gut gespurt.»
«Natürlich», sagte Sandro scheinbar einsichtig.
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