Die Drachenflotte (German Edition)
allen vieren robbte Boris hektisch zu seinen Sachen, zog die Heckler & Koch heraus, entsicherte sie und drehte sich nach Davit um. «Das reicht jetzt», brüllte er. «Los, zurück.»
«Was zum Teufel ist das?» Davit war blass geworden. Er hob die Hände.
«Na, wonach sieht’s denn aus?», fragte Boris höhnisch.
«Keine Waffen, hat Sandro gesagt.»
«Tja, da hat Sandro eben gelogen, hm? Glaubst du vielleicht, wir sind hier bei den Pfadfindern?»
«Ich will mit Schusswaffen nichts zu tun haben. Das letzte Mal hat mir gereicht.»
«Du tust, verdammt noch mal, was ich dir sage», fuhr Boris ihn an. «Ich leite diese Operation, und ich führe meine Aufträge aus. Und du wirst mir gefälligst dabei helfen.» Er hob die Pistole zu Davits Gesicht. «Ist das klar?»
«Ja, Boss», sagte Davit. «Ist klar.»
«Gut.» Er kam sich ein bisschen albern vor, als er die Waffe in seinen Gürtel steckte. «Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Aber so lang, wie wir uns jetzt schon kennen, da tät’s mir leid, wenn du reingelegt wirst.»
«Ich bin erwachsen», sagte Davit. «Ich kann auf mich selbst aufpassen.»
«In Ordnung. Dann Schwamm drüber, okay?» Er rieb sich lächelnd die Hände, um die Atmosphäre zu entspannen, und trat zu Claudia. «Na, servierst du uns jetzt was von deinem leckeren Essen? Ich bin schon am Verhungern.»
II
Knox war guter Laune, als er die Yvette vertäute und dann den Weg hinauf nach Eden ging. Ihm würde ein Stein vom Herzen fallen, wenn er Rebecca endlich sagte, was er hier tat und warum er es bis jetzt für sich behalten hatte. Aber ihm schwante schon Böses, als Rebecca, die am Schreibtisch ihres Vaters saß, bei seinem Eintreten nicht einmal den Kopf hob. Dann bemerkte er seine Reisetasche auf dem Feldbett und daneben die offene Archivbox mit den verstreuten Unterlagen über die Winterton .
Er trat zu ihr, breitete die Hände aus und sah sie mit reuiger Miene an. Aber es war offensichtlich, dass sie von seiner Reue nichts wissen wollte. Mit völlig unbewegtem Gesicht griff sie nach dem Gewehr ihres Vaters hinter dem Schreibtisch und schwenkte es in seine Richtung. «Freier Journalist, soso?»
Zu lügen hatte keinen Sinn. «Nein», bekannte er, «ich bin Unterwasserarchäologe.»
«Ach was, Unterwasserarchäologe?», wiederholte sie voller Verachtung. «Schatzjäger, meinen Sie. Nichts als ein beschissener Schatzjäger sind Sie, der darauf aus ist, die Winterton auszuplündern.»
«Es ist nicht so, wie Sie glauben», beteuerte er. «Ich wollte Ihnen alles sagen.»
«Na klar.»
«Ich schwör’s. Lassen Sie es mich erklären. Aber legen Sie das Gewehr weg.»
«Damit ich mir noch mehr von Ihrem Mist anhören kann?» Ihre Augen blitzten. «Ich habe Ihnen vertraut. Mein Vater und meine Schwester werden vermisst, und ich brauchte Ihre Hilfe. Ich Idiotin habe Ihnen mein Herz ausgeschüttet. Ich dachte, Sie wären auf meiner Seite. Wie konnten Sie mich so hintergehen?»
«Es ging nicht anders. Ich hatte mein Wort –»
«Ich will das nicht hören. Ich will kein Wort mehr von Ihnen hören.» Sie stand auf und winkte ihn zur Tür. «Hauen Sie einfach ab. Los. Verschwinden Sie. Ich will Sie nicht mehr sehen.»
«Rebecca, bitte.»
«Raus.»
Er tappte rückwärts auf die Veranda hinaus, und sie knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Er hörte das Klappern der Riegel, dann das leiser werdende Geräusch ihrer Schritte. Na wunderbar. Er dachte daran, seine Geschichte herauszuschreien, sodass sie ihn durch die Wände hören würde, aber sie war noch zu wütend. Besser, die Nacht abzuwarten, damit sie sich beruhigen konnte, und dann gleich am frühen Morgen unter Entschuldigungen mit der Wahrheit zu kommen. Aber wo sollte er übernachten? Angesichts von Rebeccas Zorn wagte er es nicht, eine der Hütten zu nehmen. Er konnte zu Pierres Haus hinübergehen. Aber auch auf der Yvette gab es einen Schlafplatz, und es war nicht damit zu rechnen, dass Rebecca ihn dort suchen würde.
Er watete hinaus, kletterte aufs Boot und setzte sich aufs Deck. Während es langsam dunkel wurde, schaute er zur Küste hinüber und ließ sich von friedlichen Geräuschen einlullen, dem Knarren von Holz, dem leisen Klang ferner Brandungswellen. Etwas weiter im Süden zündete jemand ein großes Feuer an, vielleicht Pierres Frauen, um das Abendessen zu kochen. Ihm selbst hatten die Auseinandersetzung und seine Schuldgefühle den Appetit geraubt; er begnügte sich mit Keksen und Bier.
Seine Gedanken schweiften
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