Die Drachenflotte (German Edition)
immer wieder zu Rebecca, obwohl er versuchte, sich dagegen zu wehren. Ihr Zorn hatte ihn stärker erschüttert, als er für möglich gehalten hätte, nicht zuletzt weil er berechtigt war. Gaille wäre niemals auf diese Weise explodiert, sie hätte ihm wenigstens Gelegenheit zu einer Erklärung gegeben. Aber Gaille war von Natur aus ein versöhnlicher Mensch gewesen und hatte von anderen immer nur das Beste glauben wollen. Rebecca hingegen … Er lachte leicht beschämt. Aber es gab auch Ähnlichkeiten zwischen den beiden Frauen. Ihre Vitalität und Intelligenz, die Lebhaftigkeit, wenn sie über Dinge sprachen, die sie stark bewegten. Eine seiner liebsten Erinnerungen an Gaille galt einem Abend in Alexandria, als sie ihm Fotografien eines antiken Wandgemäldes zeigte, das sie mit viel Mühe wieder zum Leben erweckt hatte. Ihr leidenschaftlich glühendes Gesicht beim Erzählen hatte ihn bezaubert. Rebecca glühte ähnlich, wenn sie über das Verhalten der Tiere sprach. Und sie waren beide kreativ, wissenschaftlich interessiert, loyal und mutig. Bereit, für die Menschen, die sie liebten, alles zu wagen. Und sie sahen beide so verdammt gut aus.
Es störte ihn, dass er auf diese Weise über Gaille und Rebecca nachdachte. Vergleiche anstellte. Gaille war seine große Liebe gewesen, und ihr Tod seine Schuld. Natürlich nicht allein oder auch nur größtenteils seine Schuld, nein. Der wahrhaft Schuldige war Michail Nergadse, der sie, völlig wehrlos, aus vielleicht fünfzig Zentimetern Abstand in die Stirn geschossen hatte. Aber wäre Knox mutiger, schneller oder klüger gewesen, wäre Michail vielleicht weder auf den Gedanken gekommen, noch hätte er die Gelegenheit gefunden, sie zu ermorden. Und deshalb hatte sie von ihm Besseres verdient als dies hier. Sie verdiente die Treue, die sie ihm entgegengebracht hätte, nicht diese Halbherzigkeit, die ihm erlaubte, sich Hals über Kopf in Rebecca zu vergaffen, diese Schwäche, die ihm erlaubt hatte, sich an jenem Wochenende in Howe in Emilia Kirkpatricks Umarmung zu stürzen, nur weil er sich selbst leidgetan hatte.
Er schüttelte den Kopf bei der Erinnerung. Emilia war so etwas wie eine Naturgewalt gewesen und so ziemlich die unsentimentalste Frau, die er kannte. Keine Verpflichtungen, das war ihr so wichtig gewesen, dass sie sich auf ziemlich plumpe Art und Weise gleich mehrmals vergewissert hatte, dass er an dem Bergungsprojekt in Eden nicht beteiligt sein würde. Und als das Projekt infolge des Putschs auf Madagaskar ein Jahr verschoben werden musste, sodass Knox nun doch teilnehmen konnte, war sie vollkommen ausgerastet, vor lauter Angst zweifellos, er wolle noch etwas von ihr. Im Rückblick war das natürlich verständlich, denn Rebecca zufolge war sie inzwischen nicht nur mit Pierre zusammen gewesen, sondern auch Mutter seines Kindes.
Knox runzelte die Stirn. Emilia hatte ihm versichert, sie nehme die Pille, er brauche sich um mögliche Folgen nicht zu sorgen. Aber nach ihrer Rückkehr nach Madagaskar war sie innerhalb von höchstens zwei Monaten schwanger geworden. Er wusste das genaue Geburtsdatum von Michel nicht, doch ihm wurde plötzlich flau. An der Kabinenwand hing ein Foto von Emilia mit Michel. Er stellte sein Bier weg und stieg die Eisentreppe hinunter, schaltete das Licht ein. Nur von den Schiffsbatterien gespeist, brannte es so schwach, dass er das Foto von der Wand nehmen und dicht an die Birne halten musste, um überhaupt etwas zu erkennen. Aber so angestrengt er es auch betrachtete, es verriet ihm nichts. Die Möglichkeit blieb also bestehen.
Vielleicht war Michel gar nicht Pierres Sohn.
Vielleicht war er sein Sohn.
III
Davit lag auf dem Rücken, Claudia im Arm, und blickte an den Wänden des Zelts hinauf, wie sie hin und wieder von Windstößen geschüttelt wurden und das Mondlicht durch den blauen Stoff sickerte. Draußen huschten Tiere umher, fiepten und raschelten. Er legte sich auf die Seite, um Claudia zu betrachten, und küsste sie auf die Stirn.
«Ich will hier nicht bleiben», flüsterte sie. «Ich will da nicht mitmachen.»
«Es ist schon okay», versicherte er.
«Nein, ist es nicht», widersprach sie. «Warum hat dein Freund eine Pistole mitgenommen? Was hat der Mann getan, den ihr sucht?»
«Das ist kompliziert.»
«Du meinst, du willst es mir nicht sagen», entgegnete sie. «Du schämst dich für das, was du hier tust, aber du willst es trotzdem tun.»
«Du verstehst das nicht. Mein Leben zu Hause …» Er schüttelte den Kopf.
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