Die Drachenflotte (German Edition)
«Ich muss es ändern. Unbedingt.»
Ihr Körper begann zu zucken, sie schluchzte. Er wollte sie nicht unglücklich sehen und versuchte, sie mit Streicheln zu trösten. Aber sie schüttelte den Kopf. «Warum willst du dein Leben nicht hier ändern?», fragte sie. «Warum willst du es nicht mit mir zusammen ändern?»
Davit antwortete nicht gleich. Er hatte daran gedacht, ein paar Tage zu bleiben und Claudia, das Meer und die Sonne zu genießen. Aber es war ihm nie in den Sinn gekommen, für immer zu bleiben. Er war Georgier durch und durch, er konnte nicht einfach seine Heimat, seine Familie und seine Freunde aufgeben. Aber dann wurde ihm mit einem schmerzhaften Stich bewusst, dass er sie längst aufgegeben hatte. Oder vielmehr sie ihn aufgegeben hatten. Er hatte es nur nicht akzeptieren wollen, wie der Geist, der seinen Kadaver nicht verlassen will.
«Und was würden wir anfangen?», fragte er. «Wovon würden wir leben?»
Einen Moment war es still, während sie beide darüber nachdachten.
«Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit?», meinte sie.
Davit lachte. «Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit», stimmte er zu.
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Kapitel 32
I
E s war stockfinster, als am nächsten Morgen Rebeccas Wecker piepte. Sie richtete sich auf und tastete nach den Streichhölzern, um die Kerze anzuzünden, die sie bereitgestellt hatte. Dann wusch sie sich in aller Eile, zog sich an und ging zum Jeep hinaus. Trotz der Kühle sprang der Motor beim ersten Versuch an. Vielleicht ein gutes Omen. Sie fuhr so schnell, wie der Straßenzustand es erlaubte, während die Welt langsam hell wurde und die Dörfer zum Leben erwachten. Immer wieder schaute sie auf die Uhr, rechnete nach, wie weit sie schon gekommen war, fast panisch, bis die ersten Reklametafeln für Hotels in Ifaty auftauchten. Sie hatte es fast geschafft.
Vor dem Tor zu Mustafas Besitz hielt sie an. Der Pförtner erwartete sie. Er kam zu ihr an den Wagen, um ihr mitzuteilen, dass Mr. Habibs Tochter Ahdaf kommen werde. Rebecca war beunruhigt, aber der Pförtner konnte ihr nicht mehr sagen und antwortete nur mit Kopfschütteln auf ihre Fragen. Gleich darauf erschien Ahdaf, sichtlich verwirrt.
«Was ist denn los?», fragte Rebecca. «Wo ist Ihr Vater?»
«Er ist gestern Abend nach Ilakaka gefahren», antwortete Ahdaf. «Er hat eben angerufen. Ich soll Ihnen ausrichten, dass er dort Ihretwegen zu tun hatte und alles in Ordnung ist. Er sagte, Sie würden schon wissen, was er meint.»
«Ja.» Rebecca nickte. Ilakaka, vor einigen Jahren noch ein kleines Lehmhüttendorf, erlebte einen ungeheuren Boom, seit man dort Saphire gefunden hatte. Wenn man schnell Bargeld brauchte, bot es sich an, sein Glück in Ilakaka zu versuchen
«Er sagte, ich soll Ihnen ausrichten, dass er die Sache jetzt abschließt und bald losfährt. Sie sollen in Toliara auf ihn warten. Kennen Sie das La Terrasse ? Es ist am Independence Square.»
Rebecca nickte. Am Independence Square sollte sie auch mit dem Lösegeld auf die Entführer warten. «Und wann kommt er?»
«Das konnte er nicht mit Sicherheit sagen. So schnell er kann.»
Rebecca dankte ihr und fuhr weiter nach Süden. Angst bedrängte sie in heißen Schüben, während sie fuhr. Vor ihr erschien eine Tankstelle. Am besten, sie tankte noch einmal voll, solange es ging. Ein alter Mann, ein wahrer Tattergreis, hielt den Schlauch in ihren Tank, während sein Urgroßvater eine verrostete Kurbel drehte. Alle fünf Liter tauschten sie die Plätze, weil das Kurbeldrehen so anstrengend war. Als der Tank endlich voll war, zog einer von ihnen einen Taschenrechner hervor, auf dem er Menge mit Preis pro Liter zu multiplizieren versuchte, während der andere ihm über die Schulter schaute und schimpfte, dass er alles falsch mache. Nach fünf Versuchen konnten sie sich immer noch nicht einigen. Rebecca sah auf ihre Uhr. Vier Minuten vor neun. In Panik warf sie den beiden Alten das Doppelte von dem hin, was sie hätte bezahlen müssen, und raste wieder los.
II
Boris erwachte mit dröhnendem Kopf, als das erste Morgenlicht durch die Zeltwände schimmerte. Sie mussten früh aufbrechen, aber fünf Minuten wollte er noch liegen bleiben. Wenn er Glück hatte, würden Davit oder Claudia aufstehen und schon mal den Kaffee machen. Aber aus dem anderen Zelt war nichts zu hören.
Nicht einmal Schnarchen.
Er kroch aus seinem Schlafsack, schnappte sich die Heckler & Koch und lief hinaus. Das Zelt war noch da, aber das sagte nichts. Er zog die Klappe auf.
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