Die Drachenflotte (German Edition)
so miserablem Englisch, dass sie gar nicht erst versuchte, sie zu verstehen. Stattdessen schaltete sie alles ein und probierte herum, bis sie dahintergestiegen war. Der Sender, mit Lithiumbatterien versehen, um Gewicht und Umfang gering zu halten, sandte in regelmäßigen Abständen, die einstellbar waren, kurze Datenstöße. Sie wählte eine stündliche Frequenz, gut brauchbar für eine regelmäßige Ortung, ohne die Batterien zu belasten. Dann schaltete sie alles wieder aus und überlegte, wie sie das Ding am besten verwenden könnte.
Entführer waren nicht dumm. Sie würden das Geldpaket sicher durchsuchen, bevor sie Adam und Emilia gehen ließen. Wenn sie den Sender fanden, war alles vorbei. Wenn sie den Sender jedoch an sich trug, konnte sie ihn unterschieben, falls sich eine Gelegenheit bot, ihn aber auch zur eigenen Sicherheit gebrauchen, sollte sie ebenfalls verschleppt werden. Doch das bedeutete, dass sie den Tracker jemandem hinterlassen musste, dem sie vertraute und der ihn zur Polizei bringen würde, wenn sie verschwinden sollte. Sie konnte Therese in der Ambulanz einen Brief hinterlassen, sie würde übermorgen herkommen, um ihre Verbände zu wechseln. Sie konnte ihn auch Daniel hinterlassen. Oder sie konnte ihm jetzt gleich alles erzählen und ihm erklären, warum sie so unzugänglich gewesen war. Sie erkannte plötzlich, dass sie sich genau das wünschte. Sie wünschte sich, ihn an ihrer Seite zu haben.
Sie ging nach draußen, aber er war nirgends zu sehen. Also stieg sie die Treppe zum Dach des Hauses hinauf. Von dort hatte man über einen niedrigen Waldsaum hinweg einen herrlichen Blick auf die Lagune. Ihr Vater hatte hier oben ein Spektiv aufgestellt, auch um den Nachthimmel zu beobachten, vor allem aber um die Riffe kontrollieren zu können und dafür zu sorgen, dass in den geschützten Gewässern niemand fischte. Sie zog die Schutzhülle und den Objektivdeckel ab und blickte die Küste entlang. Die Auflösung war hervorragend. Sie konnte halbwüchsige Jungen erkennen, die auf den Felsen eines weit südlich liegenden Strands Schalentiere fingen, während ihre Mütter miteinander klatschten und im seichten Wasser ihre Wäsche wuschen. Drei Küstenfischer holten ihre Netze ein und töteten dann ihren Fang, indem sie ihn gegen die Felsen schlugen. Sie richtete das Spektiv zum Meer hinaus und suchte, bis sie schließlich die Yvette fand. Weit jenseits des Riffs, das Segel eingerollt, offenbar vor Anker.
Als sie die Schärfe nachstellte, stieg Daniel gerade die Heckleiter hinauf. Er trug einen Taucheranzug, aber mit einem schwarz-gelben Pack statt der Tauchflasche auf dem Rücken. Sie erkannte es sofort – ein Kreislaufatemgerät, ganz ähnlich dem, das ihr Unterwasser-Kameramann Anton benutzte, weil er damit ewig unter Wasser bleiben konnte und es keine lästigen Luftblasen gab, die ihm seine Aufnahmen verdarben. Aber dass Daniel so ein Ding hatte, verblüffte sie. Diese Geräte waren nicht nur sündteuer, der Erwerb ebenso wie der Betrieb, man brauchte auch Hunderte von Übungsstunden, um den richtigen Umgang mit ihnen zu erlernen. Deshalb wurden sie auch nur von professionellen Elitetauchern und entsprechend ausgebildeten Tauchern beim Militär verwendet. Und in ein Flugzeug kriegte man sie nur unter Riesentheater, weil sie so viele flüchtige chemische Substanzen enthielten, dass der Sicherheitsdienst am Flughafen häufig ihre Beförderung ablehnte. Niemals würde irgendein umherziehender Journalist ganz lässig so ein Ding mit sich herumschleppen. Nie im Leben.
Sie richtete sich auf und klappte den Deckel wieder auf das Objektiv. Eins war sicher: Daniel hatte sie belogen. Diese Gewissheit traf sie wie ein Dolchstoß ins Herz. Wieder unten, hievte sie seine Tasche auf das Feldbett, zog den Reißverschluss auf und öffnete sie. Der Hauch eines scharfen, aber nicht unangenehmen Geruchs wehte ihr entgegen, als sie eines seiner getragenen Hemden herausnahm. Vor Jahren, als sie und ihre Kommilitoninnen in Oxford das Wesen der sexuellen Anziehungskraft von Männern untersucht hatten, hatten sie zwanzig Männer gebeten, zwei Tage lang identische weiße Baumwollhemden zu tragen. Die getragenen Hemden hatten sie einer ausgewählten Gruppe von Frauen übergeben, die sie allein nach ihrem Geruch bewerten sollten. Später musste dieselbe Gruppe anhand von Fotografien der betreffenden Männer das Aussehen bewerten. Die Übereinstimmung der Ergebnisse war bemerkenswert gewesen. Gutaussehende Männer rochen
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