Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
was soll’s, hat einer der Werfer sie eben getroffen«, hieß es in der Stadt. Oder war es der Schreck, die Angst? Er hörte die Gerüchte, war durch einen Sumpf an Gerüchten gewatet, durch Blut, das die Leute gesehen haben wollten, spritzendes Blut, das den Marktplatz besudelte. Manche redeten von Narren mit Messern. Nival konnte nur hoffen, dass diese Dinge dem König nicht zu Ohren kamen. Oder nein, er musste vielmehr darauf hoffen, dass genau das geschah, dass Chamijas Hinterlist zu ihrem eigenen Verderben wurde und ihre Pläne vereitelte. Irgendjemand würde sich Gedanken machen und Pivellius davon überzeugen, dass man einem Spaßmacher nicht trauen konnte, der sich aufs Töten verstand, woraufhin man ihn aus dem Palast werfen würde, bevor etwas Schreckliches geschah.
Nival wusste nicht mehr, worauf er hoffte, während sich das Verderben um ihn zuzog wie eine Schlinge, die ein geschickter Fallensteller ausgelegt hatte.
Mit gesenktem Kopf verließ er das Haus, den Beutel mit den Töpfen über der Schulter.
19
Jikesch hockte auf der Säule im Hof und beobachtete die Leute bei der Arbeit, die Soldaten, die aufmarschierten. Viele Soldaten, deutlich mehr als früher, während die Übungskämpfe zwischen den Säulen schon lange nicht mehr stattfanden. Sämtliche Drachenjäger waren im Einsatz. Er saß da und versuchte nichts zu denken, denn immer wenn er die Gedanken schweifen ließ, landeten sie bei verbotenen Dingen.
Chamija und Arian waren ausgeritten, gemeinsam. Eigentlich hatte der Narr die Gelegenheit nutzen wollen, um sein Kostüm abzulegen und Mora zu besuchen, aber es war, als hätte die Zauberin ihn mit Leim eingeschmiert, damit er hierblieb, fest auf seiner Säule. Jikesch blinzelte. Er begann bald wirklich, sich wie ein dösender Frosch zu fühlen.
» Ich habe dir gesagt, ich kann alleine hochgehen. Du hättest unten warten sollen.«
» Das ist nicht dein Ernst. Du sagst mir, ich soll warten?«
Die beiden jungen Männer, die eben durchs Tor geschritten waren und sich staunend im Hof umsahen, waren zum ersten Mal hier. Neulinge konnte man unzweifelhaft daran erkennen, dass ihre Augen groß wurden und ihnen der Mund offen stand, überwältigt von der Größe des Schlosses und des Hofes und den prächtigen Rüstungen der Soldaten. Manche wurden regelrecht erschlagen von der überwältigenden Schönheit dieses Ortes.
Die zwei blieben dafür recht entspannt. Sie blickten beiläufig zu der mosaikbesetzten Schlosswand hinüber, traten ohne Hast zur Seite, als ein Trupp Soldaten vorbeimarschierte, und unterhielten sich dabei wie Menschen, die sich schon sehr lange kennen. Obwohl beide dunkles Haar hatten, ähnelten sie sich überhaupt nicht; Brüder waren sie jedenfalls nicht. Der eine war breit gebaut, mit mächtigen Schultern, und selbst durch die schlichte Tunika konnte man die baumstammdicken Oberarme erahnen. Glänzendes schwarzes Haar flutete über seinen Rücken. Doch das Auffälligste an seiner Erscheinung waren seine Krücke und das Holzbein. Dass er damit in der Sommerhitze den steilen Hügel hinaufgehinkt war und nun fröhlich mit seinem Begleiter plaudernd den Hof in Augenschein nahm, verriet genug über seine Kraft und Ausdauer. Der andere Mann – und Jikesch konnte nicht anders, als ihn noch viel eindringlicher zu mustern – war etwas kleiner und schlanker. Die dunkelbraunen Locken trug er kurz. Er war auffällig attraktiv, und sämtliche Mägde im Hof verlangsamten ihren Schritt und lächelten hoffnungsvoll.
Jikesch stürzte sich kopfüber von der Säule, als eins der Mädchen sich vorsichtig näherte und die beiden Fremden nach ihrem Begehr fragte.
» Wir haben einen Passierschein«, sagte der Mann mit dem Holzbein und nickte seinem Freund zu. » Zeig’s ihr, Yaro.«
Jikesch war schneller zwischen ihnen, als sie blinzeln konnten, und riss das Blatt Papier an sich.
Das erklärte natürlich, warum die Wachen am Tor die beiden durchgelassen hatten. Sie waren bereits unten in der Amtsstube gewesen und hatten die Erlaubnis erhalten, den Schlosshof zu betreten. Oh Barradas! Warum war er nicht mehr Schreibergeselle? Das hätte er mitbekommen müssen!
» He, gib das zurück!« Der Mann namens Yaro eilte ihm nach, während der Narr sich über den Platz rollte und das Schriftstück dabei in winzige Fetzen zerpflückte. » Was tust du da? Was soll das?«
Jikesch sprang auf und warf seinem Verfolger die Stücke entgegen. » Keine Erlaubnis!«, rief er. » Also raus. Runter in die Stadt.
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