Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
scharfkantigen Scherbe. Ein Knistern unter seinen bloßen Füßen verriet ihn, und sofort stürzte sich der Leibwächter auf ihn. Nival konnte sich nur mit einer beherzten Drehung retten. Aus der Kelleröffnung schlugen bereits Flammen. Er hatte keine Zeit, sich lange hier aufzuhalten, wenn er Rinek lebend dort herausholen wollte! Die Scherbe in der Hand sprang er den bulligen Leibwächter an, umklammerte seinen Hals und setzte ihm die scharfe Kante an die Kehle.
» Keine Bewegung!«, zischte er.
Doch die Ziege hatte ihre Männer offenbar nicht nach ihrer Klugheit ausgesucht. Der Leibwächter warf sich nach hinten, um den Angreifer unter seinem Gewicht zu zerquetschen, und berücksichtigte dabei nicht den Marmorsockel, auf dem die Vase gestanden hatte. Während Nival mit dem Rücken schmerzhaft in den unzähligen Splittern landete, hatte der Hinterkopf seines Gegners eine unerfreuliche Begegnung mit der Ecke des Sockels.
Stöhnend versuchte Nival, sich wieder aufzurichten.
» Rinek?«, krächzte er.
Einen Augenblick lang dehnte sich die Stille endlos. Dann erschien der Kopf des Müllers am Rand der Luke. Er kletterte hustend heraus, dicke Rauchschwaden und seltsame Gerüche um sich her, und blieb keuchend auf dem Boden liegen.
» Rinek!« Nival quälte sich hoch und kroch zu dem Briner. Mit letzter Kraft zog er ihn von dem Kellerloch weg.
» Meine Krücke«, stöhnte Rinek.
» Ja, die ist hier. Kommt.«
Sie hielten sich aneinander fest, während sie zum Ausgang wankten. Hinter ihnen waberten die Rauchwolken, als wollten sie die beiden gewaltsam aus dem Haus treiben.
Sie übersahen die letzte Stufe und fielen auf die Straße. Rinek lachte hysterisch. » Bei Arajas, dort geht eine ganze Zauberwerkstatt in Flammen auf!«
» Schade drum«, murmelte Nival. » Weg hier, bevor der Zauberer zurückkommt.«
Sie stolperten weiter. Rinek kicherte.
» Euch scheint es ja gut zu gehen. Was war wohl in dem Rauch?«
» Im Gegensatz zu dir.« Der Briner lachte laut auf. » Du siehst schrecklich aus. Ich glaube, du verblutest gerade.«
» Ihr könnt mich nicht sehen. Ich bin unsichtbar.«
» Unsichtbar?« Rinek bog sich vor Lachen. » Von wegen. Das hättest du wohl gerne, Spitzbube.«
» Jedenfalls war ich unsichtbar«, beharrte Nival. » Oder der Wächter war plötzlich mit Blindheit geschlagen. Habe ich nicht diesen Zauberstaub abbekommen?«
Sie taumelten in eine dunkle Gasse, wo Nival die Schwäche endgültig übermannte. Er fiel hin und landete mit dem Gesicht auf dem Pflaster. Rinek lachte immer noch, stupste ihn mit der Krücke an und kniete sich dann neben ihn. » Ich werde dich jetzt heilen«, verkündete er feierlich.
» Ich hab nichts dagegen.« Nival beschloss, in seiner letzten Stunde auf alle Förmlichkeiten zu verzichten. » Tu dir keinen Zwang an, Kumpel.«
Er spürte Rineks Hände an seinem Rücken. Es ziepte heftig – wahrscheinlich zog der Briner ihm irgendwelche Vasensplitter aus der Haut.
» Bist du bald fertig?«, knurrte er.
» Heilen«, sang Rinek. » Heilen, heilen. Ich könnte immerzu heilen. Wenn man erst einmal damit angefangen hat, will man gar nicht mehr aufhören.«
» Du hast gar nichts zum Heilen«, fiel Nival ein. » Es hat keinen Zweck. Bist du sicher, dass ich nicht gerade sterbe?« Dafür fühlte er sich allerdings verhältnismäßig munter.
» Natürlich hab ich was. Es wirkt schon, merkst du das denn nicht, du undankbarer Hund? Warum war ich wohl so lange im Keller, was glaubst du denn? Ich hab noch ein paar Sachen eingepackt, die ich ungern den Flammen überlassen wollte. Schöne Sa-ha-chen!«, sang Rinek.
» Du hast Töpfe eingepackt, während ich mit Zieges Wächter um Leben und Tod gekämpft habe? Dabei kannst du doch nicht mal die Beschriftungen lesen.«
» Deshalb hat es ja auch so lange gedauert«, erklärte Rinek fröhlich. » Ich heile, heile, heile«, summte er ungerührt. » Dreh dich um. Das ist von vorhin – das ist von der bösen Schlange – und das hier waren die unsichtbaren Kerle, wetten?«
» Es ist dunkel hier«, erinnerte Nival, der sich gehorsam umgedreht hatte und nun die düsteren Fassaden der heruntergekommenen Häuser über sich erahnte. Es war stockfinster.
» Ich hab mir was in die Augen geschmiert«, jubelte Rinek, während er Nivals Beine betastete.
Der Verletzte zuckte vor Schmerzen zusammen und versuchte, sich mit weiteren Fragen abzulenken.
» Nachtglanz? Du hast was davon mitgenommen?«
» Mein Mantel ist gefüllt wie die Taschen
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