Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
Glatzkopf mit der Krücke das vergiftete Seil entwand und in hohem Bogen in die Zuschauermenge schleuderte. Jemand schrie auf.
» Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen«, schlug Rinek vor.
» Gute Idee.« Yaro packte Nival am Arm und zog ihn mit sich. » Lasst uns verschwinden.«
» Meine Schuhe! Ich kann hier nicht weg ohne meine Schuhe!«
» Das ist doch wohl nicht Euer Ernst.«
Mit der Krücke bahnte Rinek sich einen Weg durch die aufgebrachte Menge.
Nival sträubte sich gegen seine Retter. » Doch, ich muss zurück, ich …« Er schwankte.
» Ich gehe und hole sie«, erbot sich Yaro. » Wartet nicht auf mich, wir treffen uns bei Mora.«
Er verschwand zwischen den laut rufenden Männern, die ihre Wetteinsätze zurückforderten.
» Das ist nicht gut«, sagte Rinek trocken. » Aber was an diesem Abend ist das schon? Kommt, Ihr blutet aus allen Poren. Eure Spur zu verfolgen ist noch nie so einfach gewesen. Hier, nehmt meine Tunika.« Er zog sein Obergewand aus und hüllte es um Nivals zerschundenen Rücken.
» Die Dornen waren vergiftet«, brachte dieser heraus.
» Das hat man gesehen. Ihr wurdet immer langsamer. Er hätte Euch umgebracht, ist Euch das eigentlich klar?«
» Die Ziege knöpf ich mir vor«, murmelte Nival hasserfüllt. Sie hatten sich in eine enge, dunkle Gasse geflüchtet. Zitternd rang er um Atem. » Oh Barradas, ich hoffe, dass meine Tante mich nicht so sieht.«
» Dann sollte ich Eure Wunden heilen, bevor wir nach Hause gehen«, schlug Rinek vor.
Stöhnend lehnte Nival sich gegen eine Hauswand. Das könnt Ihr nicht, wollte er sagen. Ihr braucht die magische Salbe oder wenigstens irgendetwas von einem Drachen. Dann fiel ihm auf, wo sie waren. Dort drüben, schräg gegenüber, stand das Haus der Ziege. Nival wusste das, seit er dem König der Wetten einmal durch die ganze Stadt gefolgt war, bis hierher zurück in die Nähe des Kampfplatzes.
» Ich bin mir sicher«, sagte er leise, » dass wir hier etwas finden, das wir gebrauchen können.«
Kein Mensch weit und breit. Es war dunkel genug, sodass selbst Leute, die aus den Fenstern blickten, ihn nicht erkennen konnten – wenn es denn in dieser Gegend überhaupt jemanden interessiert hätte.
Er winkte Rinek, mit ihm zu kommen, und gemeinsam schlichen sie über die Straße zu Zieges Haus.
Doch was wenn hier weitere Unsichtbare wachten, vielleicht darauf warteten, dass sie ins Haus tappten? Nivals Finger bebten, während er den Draht im Schloss bewegte. Wenigstens seine Beine gehorchten ihm schon wieder besser; anscheinend ließ die Wirkung des lähmenden Giftes bereits nach. Auf Zehenspitzen huschte er ins Haus. Rinek war nicht ganz so leise, doch es war nicht nötig, ihn darum zu bitten, am Eingang Schmiere zu stehen. Als wäre er nie etwas anderes gewesen als ein Wächter, stellte der Briner sich vor die Tür.
» Geht«, flüsterte er. » Ich passe auf, ob jemand kommt.«
Nival tastete sich durch den Flur. Seine bloßen Fußsohlen berührten einen abgenutzten Teppich – schon das war ungewöhnlich, denn kaum jemand in Lanhannat konnte sich Teppiche leisten. Im nächsten Zimmer fand er eine Lampe, die er anzündete, trotz der Gefahr, dass man das Licht von draußen sehen konnte. Wenn er irgendwelche Zaubergegenstände finden wollte, kam er ohne Beleuchtung nicht aus.
Im Lampenschein offenbarte sich Zieges ganzer Reichtum. Er hatte das Haus luxuriös ausgestattet, weitaus besser, als man es in dieser Straße vermutet hätte, aber natürlich hätte kein Dieb es gewagt, ins Haus dieses Mannes einzubrechen. Schon im Eingangsbereich prunkte auf einem Marmorsockel eine hohe Vase, deren ungewöhnliches Muster auf ihre Herkunft aus dem sagenhaften Lonar hinwies. Auserlesene Möbelstücke, vor allem Sessel, überfrachteten die Wohnstube; Nival bezweifelte, dass der kleine Mann jemals so viele Besucher hatte. Auch die angrenzenden Schlafzimmer waren mit protzigen Himmelbetten und edlen, intarsienverzierten Kommoden ausgestattet, mit vergoldeten Waschtischen und – nein, in der Tat, er täuschte sich nicht – vergoldeten Nachttöpfen.
Kopfschüttelnd durchsuchte Nival einen Raum nach dem anderen. Er spähte in Tiegel und Döschen, doch der vertraute Geruch nach Caness stieg aus keinem davon auf, die stattliche Sammlung von Cremes und Puder war offenbar magiefrei.
Oben vom Treppenaufgang spähte er hinunter in den Flur, wo Rinek immer noch mit finsterer Miene an der Eingangstür lauerte. Er musste sich beeilen. Auch wenn die Ziege
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