Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
diesem Netz etwas, das sich bewegte. Etwas, das kaum zu erkennen war zwischen den Maschen, Fetzen eines violetten Kostüms. Eine blonde Haarsträhne, steif von getrocknetem Blut, ragte daraus hervor.
Chamija kappte das Seil. » Hier, bitte schön!«, rief sie munter. » Der Prinz verzichtet auf seine Rache, um sich und sein Königreich zu retten. Du müsstest am allerbesten wissen, was das Kind eines Ermordeten fühlt. Gib mir den Stein.«
Linn nahm die Kette ab und betrachtete noch einmal die verschlungenen Ornamente, das Strahlen der roten Schuppen, dann sah sie zu Chamija hoch.
» Was wirst du damit tun?«, fragte sie. » Wirst du es zum Guten wenden?«
» Natürlich«, sagte die Zauberin und lächelte, und Linns Herz wurde noch schwerer.
Sie hauchte den großen roten Stein an und flüsterte ein einziges Wort. » Caness.«
Die rote Schuppe ließ sich so leicht ablösen, als wäre sie nur mit ein paar Tropfen Leim an dem befestigt gewesen, was darunter lag.
Und alles verwandelte sich.
Die grüne Schuppe war nur wenig kleiner. Sie war grün und golden zugleich, ein Grün, das einen mit in die Tiefe zog wie in einen dunklen Teich unter den Bäumen. Licht spielte in dem undurchdringlichen Wasser und malte goldene Kreise. Es war wie eine ganze Welt in ihrer Hand, Wiesen und Wälder, Berghänge und das Meer, Sonne und Sterne. Eine Flamme loderte auf ihrer Hand, kalt und heiß zugleich, und auf einmal, ohne den Zauber, der ihre Wahrnehmung dämpfte, konnte Linn die Magie spüren, die überall war. Chamijas brennendes Herz. Den goldenen Glanz auf ihrer Haut und in ihrem Haar. Winzige Funken von Glut in der Luft, wo Gah Ran vorbeigeflogen war. Über allem jedoch das Leuchten auf ihrer Handfläche, wie einen Stern, der sich in ihre Obhut begeben hatte.
» Gib sie mir«, flüsterte Chamija angespannt.
Linn reichte der Zauberin die Kette, die sie ehrfürchtig entgegennahm.
» Die Macht des ValaNaik«, flüsterte sie. » Endlich.« Sie lächelte, wie sie noch nie gelächelt hatte, strahlend wie eine Göttin.
» Bist du jetzt zufrieden?«, fragte Linn.
Chamija wandte den Blick von dem Stein ab. » Ach, Linnia, schau mich nicht so feindselig an. Ich werde ihn gut verwenden. Wer hätte denn gedacht, dass jemand wie du sich auf die Seite der Drachen stellt? Nachdem du Jahre deines Lebens damit verbracht hast, sie zu jagen und zu töten? Komm mit mir, meine Liebe. Du kannst immer noch wählen. Dies war deine beste Entscheidung, es können viele weitere folgen. Gemeinsam können wir die Drachen zurückschlagen und einen zweiten Drachenmond abwehren. Meine Freundschaft war nicht gespielt, Linnia. Ich reiche dir die Hand, du musst nur einschlagen.«
Chamija streckte ihr die Hand entgegen. Der grünliche Schimmer des Steins tanzte auf ihrer Haut. In den hellen Augen die Bitte um Freundschaft, um Verzeihen, um Zusammenhalt … fast war es möglich zu glauben, es könnte so sein wie früher, sie beide gemeinsam in einem Zimmer, zusammen lachend und zusammen weinend …
Aber hier lag Jikesch, mehr tot als lebendig, und Linn zweifelte nicht mehr.
» Hast du meine Freunde verletzt?«, fragte sie. » Damit ich sie heile und meine Kraft schwäche?«
Chamijas Lächeln verblasste.
» Mit Arian fing es an«, sagte Linn. » Hast du dafür gesorgt, dass er verletzt wurde? Weil du geglaubt hast, ich würde etwas für ihn empfinden?«
» Das hat nichts gebracht«, flüsterte Chamija. » Es hat dich nicht in dem Maße geschwächt, wie ich erwartet habe.«
» Nur aus dem Grund, weil ich eine magische Salbe hatte, auf der bereits ein Zauber lag. Musste Schirdan deshalb sterben? Damit ich ganz allein bin, ganz auf mich gestellt? Und Mora … wolltest du sie deswegen loswerden? Du hast Yaro herkommen lassen und meinen Bruder, damit ich meine Kraft für sie opfere. Wie viel Schmerz hast du den beiden zugefügt, nur meinetwegen! Nein, Chamija, du hast nie geglaubt, dass ich auf deiner Seite stehen werde, wenn ich die Wahrheit kenne.«
» Wenn du nicht Harlons Tochter wärst, hätte ich dir längst alles gesagt! Aber es bestand die Gefahr, dass du genauso bist wie er. Wie hätte ich vergessen können, was ich ihm anbot und was er ausschlug? Du bist ihm so unglaublich ähnlich, dass mir manchmal war, als würde ich in sein Gesicht blicken. Ach, du bist so berechenbar«, sagte Chamija. » Für diejenigen, die du liebst, würdest du bis zum Schluss kämpfen, egal wie unsinnig das ist. Für dein Dorf, deinen Bruder, deinen Verlobten, sogar
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