Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
einer heiligen Schöpfungsgeschichte. » Wintika.«
Linn murmelte es vor sich hin, den einzigen Schutz vor Kälte und Finsternis und Schmerz, während sie das wie leblos daliegende Mädchen festhielt. Chamijas Atem war so flach, dass Linn immer wieder innehielt und horchte, ob sie überhaupt noch lebte.
Ein einziges Wort gegen den Tod und die Angst. » Wintika.«
Sie erwachte, und die Welt war nass und grau. Linn blinzelte und versuchte sich zu orientieren. Grau über ihr, Schwaden von Grau – und etwas Dunkles, Feuchtes.
Eine … Pferdeschnauze.
» Tani!«
» Ich habe mir schon gedacht, dass das dein Pferd ist«, erklang Chamijas muntere Stimme. » So wie er an dir interessiert ist, hat er dich zum Fressen gern.«
Linn setzte sich auf und wischte sich die Nässe aus dem Gesicht. Für einen Frühlingstag war der Morgen viel zu dunkel und zu grau. Schwere Wolken hingen tief über dem Wald, die Berghänge lagen irgendwo im Nebel versteckt. Der einzige Lichtblick war, dass Chamija bereits mit den Vorbereitungen für das Frühstück begonnen hatte. Sie kniete vor einem wüsten Haufen feucht glänzender Zweige, daneben lagen wie in einem Nest eine Handvoll Eier in verschiedenen Farben und Größen.
» Ich bin ein bisschen im Wald herumgeklettert«, erklärte das Mädchen fröhlich. » Aber für das Feuer bist du zuständig. Natürlich nur, wenn du dafür nicht zu müde bist.«
Linn hielt sich den Kopf. Sie fühlte sich wackelig und benommen, als hätte sie eine durchzechte Nacht hinter sich. » Ähm – Ihr könnt wieder klettern?«
» Aber sicher!« Chamija eilte mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. » Du hast mich doch geheilt. Sag du zu mir, so handhaben wir das in Tijoa, wenn ein Zauberer einen Teil seiner Kraft für jemanden opfert. Dadurch sind wir verbunden, und jetzt bist du meine Freundin, ja?«
Linn ließ Chamijas begeisterte Umarmung und ein paar Wangenküsse über sich ergehen, zu verwirrt, um sich zu sträuben. » Ich habe was geopfert?«
» Oh, ich vergaß, ihr sprecht hier in Schenn nicht so offen darüber. Ich habe mir sagen lassen, man fühlt sich danach wie gerädert. Deshalb wollte ich dir etwas zu essen anbieten, wenn du aufwachst. Der Heilungszauber gehört ja zu den schwierigsten Zaubern überhaupt, nicht wahr? Du musst völlig ausgelaugt sein!«
» Äh … ja«, gab Linn zu und erinnerte sich daran, was Mora, die Frau ihres Kampflehrers Bher, ihr über Magie erzählt hatte. Man muss für alles einen Preis bezahlen. Es gibt Zauber, der so stark ist, dass er dich verbrennt … Tatsächlich kam es ihr auch so vor, als wäre sie von innen her ausgeräuchert worden. Doch zugleich, trotz ihrer Müdigkeit und der Schwierigkeit, überhaupt aufzustehen, fühlte sie sich aufgedreht und euphorisch.
» Gebratene Eier wären himmlisch. Wenn ich nur wüsste, wie man Feuer zaubert. Und gibt es wohl einen Spruch, mit dem man eine Pfanne herstellen kann?«
Chamija lächelte schelmisch. » Ich habe einen Schild gefunden, im Wald. Anscheinend kommen hier öfter mal Ritter vorbei. Bleibt noch das Problem mit dem Feuer. Bist du schon kräftig genug für Qui Andonaik?« Erschrocken schlug sie die Hände vor den Mund. » Das sollte ich nicht so laut sagen, stimmt’s? Ich weiß, wie ihr Zauberer seid, immer verschwiegen und misstrauisch, dass euch keiner die Worte stiehlt.«
Linn wischte sich die schmutzigen Hände an ihrer Tunika ab. » Dafür bräuchte ich aber …« Sie zögerte. Wie viel wusste Chamija wirklich über Zauberei? So faszinierend es auch war, mit jemandem über Magie zu sprechen – Linn war sich nicht sicher, wie offen sie wirklich sein durfte.
» Keine Sorge.« Das Mädchen zwinkerte ihr zu. » Die Äste sind alle von der Lichtung, wo Ojia Ban in deinen Sturm geraten ist.«
» Ojia Ban?«
» Unser Drache. Der große Blaugrüne.«
» Euer Drache«, wiederholte Linn langsam. Sie erinnerte sich daran, dass sie so gut wie nichts über dieses fröhlich plappernde Mädchen wusste, das ihre Freundin sein wollte. » Ich bin auf diesen Drachen nicht sonderlich gut zu sprechen«, erklärte sie grimmig. » Ist dir eigentlich klar, dass er Lanhannat angegriffen hat, während dein Botschafter im Schloss weilte? Das ist noch nicht alles. Dieser Drache war auch in Brina, er hat mein Dorf zerstört und meine Geschwister verletzt!«
» Oh«, meinte Chamija bestürzt. » Wirklich? Von deinem Dorf weiß ich nichts, aber den Brand in der Stadt haben wir natürlich mitbekommen. Nexin war davon
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