Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
das?«
» Mein Fuß tut weh«, schluchzte Chamija.
» Die anderen haben Euch einfach hier zurückgelassen?«
Diese Frage hatte noch lauteres Weinen zur Folge.
» Kommt, hier können wir nicht bleiben. Legt Euren Arm um mich, so, dann versuchen wir mal, ob Ihr Euch aufrichten könnt.«
Sie zog das Mädchen hoch, das sich schwer auf sie stützte.
» Geht es?«
» Ich kann nicht auftreten.« Die Tijoanerin stöhnte vor Schmerz.
» Jetzt reißt Euch endlich zusammen. Wir müssen auf die Straße. Ich werde versuchen, die Pferde zu finden. In welche Richtung sind sie gelaufen?«
Chamija blinzelte verwirrt.
» In welche Richtung?«, wiederholte Linn, langsam ungeduldig. » Sind sie nicht weggerannt, als der Drache gekommen ist?« Soweit sie wusste, gab es kein einziges Tier, das gelassen auf den Anflug eines Drachen reagierte. Nur Menschen wie sie selbst waren so vermessen, den Ungeheuern auch noch hinterherzujagen.
» Doch … aber … ich weiß nicht.«
Aus Chamija würde sie wohl nichts Nützliches herausbekommen. Linn schleppte das Mädchen durchs Dickicht zurück zum Weg. Sie hätte nicht sagen können, was sie mehr ermüdete – das Gejammer oder das Gewicht der Verletzten. So klein und leicht diese auch aussah, der durchnässte Pelz und womit sie sich sonst noch behängt hatte – Klunker, Täschchen und Stiefel –, zog nicht nur Linns Schultern, sondern auch ihre Laune nach unten.
Als Chamija sich schließlich mit schmerzverzerrtem Gesicht in den Schlamm sinken ließ, schalt Linn sich selbst.
Hab wenigstens ein bisschen Mitleid mit ihr. Sie ist aus dem Wipfel eines Baumes gestürzt, hat sich den Fuß und vielleicht noch mehr gebrochen, so wie sie gejammert hat, ihre Begleiter sind auf und davon, und nun sitzt sie hier mutterseelenallein – bis auf dich, ihre einzige Hoffnung. Und eben noch hat sie dich als Angreiferin erlebt.
Vielleicht hat sie ja sogar Angst vor dir?
Ein ungewohnter Gedanke für Linn, dass jemand sich vor ihr fürchten könnte.
» Geht nicht, bitte!«, flehte die Tijoanerin, als Linn sich der Wegbiegung näherte, um nach den Pferden Ausschau zu halten. » Lasst mich nicht allein!«
Nun, so große Angst wohl auch wieder nicht.
» Wir brauchen die Pferde. Ich gehe nur ein Stück, bis ich aus dem Wald rauskomme.«
» Nein! Bleibt bei mir!«
Das Betteln des Mädchens brachte Linn dazu, sich ungewohnt grausam zu fühlen, als sie entschlossen weiterlief. Es war tatsächlich nicht weit, kaum ein Viertelyagon – also ein Viertel von einer Stunde Fußmarsch –, bis die Bäume auseinandertraten und den Blick auf die steinigen Hänge freigaben. Die Straße folgte in unzähligen Windungen einem ehemaligen Flussbett durchs Gerin-Yan-Gebirge, dem flacheren Ausläufer der ganzjährig schneebedeckten Gerin-Berge. An einigen Stellen schien der Wald von den Hängen abzurutschen und bildete einen dunklen Tunnel, doch hier war das Gelände offen genug, um bis zur nächsten Wegbiegung sehen zu können. Zwischen den Steinen blühten unzählige gelbe und weiße Frühlingsblumen. Von Tani, Linns langbeinigem kastanienbraunem Wallach mit der hellen Mähne, war dagegen nichts zu sehen. Doch das hieß gar nichts – wenn er sich dazu entschlossen hatte, die Straße zu verlassen, konnte er ganz in der Nähe sein, ohne dass sie ihn bemerkte.
Ein Wimmern ließ sie herumfahren. Da stand Chamija und hielt sich am rötlichen Stamm einer Bergtanne fest, das Gesicht grau vor Schmerz.
» Gütiger Arajas!«, schimpfte Linn. » Wieso seid Ihr nicht geblieben, wo Ihr wart?«
» Lasst mich nicht allein«, stöhnte das Mädchen.
Linn eilte zu ihr und konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie zusammenbrach. Sie hielt die junge Tijoanerin im Arm und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Linns Herz zog sie vorwärts, dem Drachen nach, doch es bestand keine Möglichkeit mehr, ihn einzuholen. Vermutlich trug er seine kostbare Last über das Kriegsgebiet von Yan hinweg direkt nach Tijoa.
Chamija klammerte sich an sie. Das Mädchen zitterte am ganzen Körper. » Macht Feuer«, flüsterte sie mit klappernden Zähnen.
» Es gibt hier weit und breit kein trockenes Holz. Ich kann nicht.«
» Doch«, wisperte das Mädchen. » Zauberin.«
Linn erschrak. Chamija hatte natürlich miterlebt, was geschehen war. Für sie war Zauberei bestimmt etwas ganz Normales, doch in Schenn stand die Todesstrafe darauf.
» Das dürft Ihr niemandem verraten«, sagte die Drachenjägerin schnell. » Versprecht es!«
Die sonst so
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