Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Stein.« Sion blickte Rinek in die Augen. » Er ist der Einzige, der nicht fliegen kann. Der Einzige, der nie ein Drache war. Der Mächtigste meines Volkes und zugleich der Verletzlichste und Schwächste. Er trägt den Fluch wie eine Fessel … wie ein Gebirge auf sich, wie eine ganze Welt, die er nicht abwerfen kann. Fast könnte ich um ihn und sein Schicksal weinen.«
» Wie lautet denn sein richtiger Name?«, fragte Rinek, während die anderen schwiegen – verwirrt, denn noch konnte niemand das Geheimnis begreifen, das Sion endlich preisgegeben hatte. Um ihn her bemerkte er nur ratlose Gesichter.
» Er ist Rean Tar«, sagte Sion. » Rean Tar, Larans Sohn, der als das Kind von Het-Kion in die Chroniken einging.« Sie lächelte traurig, und das Lachen perlte von ihr ab wie Wassertropfen. » Das Kind mit dem einzigartigen Schicksal, dass der Fluch an ihm vorüberging – und vielleicht war das der schlimmste Fluch überhaupt. Wir leiden alle darunter, dass wir nicht nach Steinhag zurückkehren können, er dagegen kann es – doch was will er dort, allein? Es gibt immer Einsiedler, in jeder Generation, aber die ValaNaiks sind nicht dafür geschaffen.«
» Rean Tar?«, fragte der König und dann noch einmal: » Rean Tar?«
Sion antwortete nicht mehr. Sie tauchte unter, ein Kräuseln auf der Wasseroberfläche verriet, dass sie fortschwamm. Die Vorstellung war zu Ende.
» Er hat seinen Namen einfach umgedreht«, sagte Agga. » Tarian. Rean Tar. Ist das zu glauben? Kann irgendjemand so alt sein? Über achthundert Jahre?«
» Sion ist sogar noch älter«, sagte Rinek leise.
» Oh.«
» Glaub mir, ich interessiere mich nicht so sehr für uralte Frauen.«
» Oh«, sagte sie wieder.
» Das glaube ich jetzt nicht«, flüsterte Pivellius. » Das war der Beginn des Friedens. Wir mussten die Magie aufgeben, wir mussten die Zauberer daran hindern weiterzukämpfen! Es war richtig so, es war nötig!«
» Die Zauberer sind Schenns einziger Schutz gegen die Drachen«, sagte Rinek. » Damals wie heute.«
Der König verstummte. Seine schlurfenden Schritte entfernten sich. Dass man sie hören konnte, hieß, dass er nicht über die Teppiche ging, sondern daneben, auf dem kahlen Fels, als sei er nicht länger würdig, ein Herrscher zu sein in einem verratenen Land.
20
» Die Drachen sind hier? So schnell?« Die drei Flüchtlinge hasteten weiter in die Tiefe. » Wir sitzen also in der Falle. Gibt es denn keinen Hinterausgang?«
Der Gang endete unvermittelt an einer Felswand. Eine Sackgasse. Hinter ihnen kamen die Stimmen ihrer Verfolger immer näher.
» Hier ist eine Kellerluke.« Arian bückte sich über eine quadratische Platte im Boden.
» Da sitzen wir erst recht in der Falle«, meinte Linn, während die Männer schon ein dunkles Loch freilegten.
» Vielleicht finden sie uns nicht und glauben, wir wären auf einem anderen Weg entkommen. Welche Wahl haben wir denn?« Der Prinz beugte sich über die Öffnung. » Ich kann leider nichts sehen. Aber ich glaube, es ist kein Keller, sondern ein Schacht.«
» Das nützt uns jetzt auch nichts«, meinte sie. » Was wird das, Nival?«
Er zog sich gerade die Schuhe aus. » Ich erkunde, wie weit es hinunter geht. Das ist der einzige Weg, der uns bleibt, wenn wir es nicht mit der ganzen Stadt aufnehmen wollen – und mit Scharech-Par und allen seinen Drachen.« Er ließ bereits die Beine in den Schacht hinab und stemmte die Arme gegen die Wand, um Halt zu finden. Linn hielt den Atem an, während er sich nach unten vorarbeitete. Schon bald war er verschwunden. Dafür bogen jetzt die ersten Verfolger um die Ecke und rannten mit erschreckend hoher Geschwindigkeit auf sie zu.
» Kommt runter«, erklang Nivals Stimme aus der Tiefe.
» Wie denn?«, fragte sie verzweifelt, denn dass sie sich blindlings in den bodenlosen Schacht stürzen sollten, konnte er doch nicht meinen. Da war sie lieber bereit, es mit den Wächtern aufzunehmen.
» Kommt!«, drängte Nival.
» Na, dann mal los«, sagte Arian und sprang mutig ins Dunkle.
Linn ließ sich einfach fallen, mit den Füßen voran. Sie rauschte durch den engen Schacht, dann folgte das Gefühl freien Falls, und unerwartet schlug Wasser über ihr zusammen. Prustend arbeitete sie sich an die Oberfläche.
Es war nicht ganz dunkel. Am Ufer eines tiefschwarzen Sees saß Nival, Arian kletterte gerade aus dem Wasser. Mit ein paar Schwimmstößen folgte Linn ihm.
» Du hättest uns wenigstens warnen können, Nival. Ich dachte, ich
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