Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
im Saal sich zu vertiefen, und die Stille wurde dunkler und älter.
Dann entstand ein Tumult an einer der Türen. Die tijoanischen Soldaten führten eine Gruppe schennischer Wachleute herein, ein paar Diener waren dabei, auch drei Frauen, eine davon erkannte Rinek als eine der Diebinnen, die eine Anstellung als Magd erhalten hatten.
» Ich habe nichts verbrochen, lasst mich gehen! Herr! Majestät! Was …?«
Nach und nach verstummten alle.
Spürten sie etwa die Dunkelheit hier, das Schweigen, das die Gegenwart des Drachen verbreitete, das Einzug gehalten hatte zwischen den Säulen?
Scharech-Par blieb stehen und musterte die Menschen, dann sagte er ein einziges Wort auf Tijoanisch, das Rinek nicht verstand.
Erst in diesem Moment begriff Rinek, dass Scharech-Par es ernst gemeint hatte, als er gesagt hatte: Lasst alle Schenner im Schloss bluten. Jetzt verstand er auch, warum die Rebellen unten im Keller sicher waren, warum nie jemand dort hinunterkam – der neue König brauchte keine Verliese. Er machte keine Gefangenen. Für jedes Vergehen gab es nur eine einzige Strafe.
Scharech-Par sah reglos zu, aber Rinek wandte sich ab, er wartete nicht, bis es vorbei war, sondern rannte einfach los, auf den nächsten Eingang zu. Hinter ihm ertönten Rufe, die er ignorierte. Er hetzte durch den Saal, durch einen weiteren breiten Flur, eine Treppe hoch. Lief fast in ein Dienstmädchen hinein, eine Schennerin, eine junge Frau mit einem Zopf.
» Lauf!«, rief er ihr zu. » Er lässt alle töten, ausnahmslos! Lauf! Lauf doch endlich!«
Weil sie ihn nur entgeistert anstarrte, versetzte er ihr einen Stoß. » Lauf!«, schrie er noch einmal.
Er rannte durch die Flure, riss die Türen auf, rannte Diener und Wächter um. » Lauft! Rettet euer Leben!« Wie in einem Albtraum kam er nicht schnell genug vorwärts, konnte er nicht alle warnen. Dort hinten trieben bereits Tijoaner ihre schennischen Kameraden zusammen.
» Wehrt euch!«, schrie er. » Kämpft! Sie werden euch alle töten. Bei Arajas, kämpft!«
Er konnte nicht mehr sehen, ob sie seinen Rat befolgten, denn hinter ihm holten seine Verfolger auf. Rinek rettete sich in die Nische, die in den Geheimgang führte, und tastete sich durch die Dunkelheit, die ihn nicht störte – keine Dunkelheit wird mich jemals wieder stören, dachte er, nach dieser Finsternis, die er im Saal gefühlt hatte, die selbst das Tageslicht überwältigte, das durch die Fenster einfiel. Er stolperte vorwärts, spähte durch alle Ritzen und Öffnungen, riss Türen auf, rief, erschreckte, scheuchte auf. Schließlich fand er sich in einem Nebenraum wieder, von dort war es nur ein kurzes Stück in den Hof. Er rannte hinaus, selbst der Himmel kam ihm dunkel vor. Diesmal war Sion nicht bei ihm. Konnte sie schnell genug sein, um ihn zu retten? Die Menschen strömten über den Hof auf das Tor zu, und er dachte: Sie schaffen es. Hauptsache, sie schaffen es.
Bis die Drachen aus den Wolken herabstießen.
» Lauft!« Er packte eine Wäscherin am Arm, eine Köchin am anderen, zog sie mit sich. » Lauft! Da ist das Tor!«
Die Drachen waren über ihnen, ihre Schwingen rissen die Flüchtlinge von den Füßen, ließen sie hart auf die Knie fallen. Von irgendwoher erklang Scharech-Pars kalte Stimme.
» Tötet sie alle.«
Der Drache vor ihm breitete die Flügel aus, als wollte er ihn umarmen. Rinek sah ihn über sich aufragen, riesig und schrecklich, und ein Teil von ihm – der die Magie wahrnahm – fand ihn herrlich, während alles Menschliche in ihm vor Entsetzen aufstöhnte.
Ein fürchterlicher Schrei zerriss ihm fast das Trommelfell, und während er sich noch wunderte, wer so laut brüllen konnte, sah er den Pfeil aus der Brust des Drachen ragen. Einen Pfeil, verziert mit einer funkelnden Drachenschuppe, einem silbernen Splitter, der seinen Blick einfing.
Er wandte sich um. Da stand Gunya, die Armbrust noch in der Hand, neben ihr Okanion und die Soldaten vom unterirdischen See. Hinter ihnen flog Sion heran, Sion als Drache, silbern wie ein Mondstrahl, grün wie der Frühling, tödlich wie ein Blitz. Sie lachte gellend, und er half den Frauen auf die Füße und wollte weiterlaufen, doch Okanion hob die Hand.
» Zurück! Durchs Portal! Bringt sie nach unten!«
Mit einem Blick erkannte Rinek, dass der Hauptmann recht hatte. Es waren zu viele Drachen, um in die Stadt zu entkommen, und sie hatten nur zwei Drachenjäger, eine Handvoll Soldaten, die es nicht gewöhnt waren, gegen Ungeheuer zu kämpfen, und
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