Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
da seine Schwester ihm traute, würde er das auch tun, selbst wenn er damit Sion hinterging.
Sein Gesicht war ernst und verschlossen, als er die Treppen hochstieg, die zum Schloss führten. Es half alles nichts: Er musste wissen, was Scharech-Par weiter vorhatte. Diesmal konnte er sich nicht mit einem Zauber von Unauffälligkeit umgeben; die Zauberin hätte das sofort gespürt. Diesmal war sein einziger Schutz die Heimlichkeit – aber wozu hatte er die Geheimgänge zwischen den Mauern entdeckt, wenn nicht, um sie zu benutzen?
Am gefährlichsten war noch der Weg aus dem Keller hinaus und in die Nische. Auf leisen Sohlen huschte er im großen Saal von Säule zu Säule. Zum Glück waren zunächst nicht viele Wachen unterwegs, doch als sich forsche Schritte näherten, duckte Rinek sich eilig hinter die nächste Säule.
Eine Stimme, die er kannte. Vertraut war sie ihm noch nicht, und er hätte sich gewünscht, sie nie wieder hören zu müssen. Beim letzten Mal hatte er diesen Mann noch für einen Zauberer gehalten, jetzt wunderte er sich darüber, denn die Stimme gehörte unverkennbar einem Drachen. Kalt und spöttisch, und nicht etwa der tijoanische Akzent verlieh ihr etwas Heiseres, das nicht zu einer menschlichen Kehle passen wollte.
» Spurlos verschwunden«, sagte Scharech-Par. » Du wagst es, mir das ins Gesicht zu sagen, Hauptmann?«
Rinek konnte nicht sehen, wer antwortete. Ein Mann, der zu Pivellius’ Garde gehört haben musste, denn er beherrschte die Sprache von Schenn.
» Wir sind nicht gerade gut besetzt«, wandte er ein, vielleicht ließ er sich von der ruhigen Sprechweise des Tijoaners täuschen, vielleicht verwechselte er die eisige Kälte mit Ruhe und Gelassenheit oder gar mit Vernunft. » Wir gehen unsere Patrouille, keiner verlässt seinen Posten, darauf achte ich sehr. Auch wenn Ihr nicht da seid, gibt es gewiss keinen Schlendrian. Ich kann mir nicht erklären, wie das passieren konnte.«
» Das war mein Gold«, sagte Scharech-Par, und wahrscheinlich musste man magisches Talent besitzen, um das Gift der Drachenzunge in seiner Stimme zu hören und die Sehnsucht eines Drachen nach Schätzen.
» Es tut mir unendlich leid, Majestät.«
» Was starrst du mich so an? Stört dich etwas an meinem Aussehen? Glaubst du, ich habe die Beulenpest?«
» Nein, Herr, nein, ich würde es nicht wagen …«
Rinek hatte es erwartet, trotzdem zuckte er zusammen, als er hörte, wie der Mann auf dem harten Marmorboden aufschlug. Ein Helm rollte bis hinter die Säule, und in der Spiegelung auf dem Metall sah er undeutlich drei Gestalten.
» Dafür werden die Schenner bluten«, sagte Scharech-Par so beiläufig, als lege er die Speisenfolge für die nächste Mahlzeit fest. Da wusste Rinek, dass der Drachenkönig keinen Humor besaß und die Flüsterwespen nicht so gut angekommen waren. Dass ein Drache an seinem Gold hing, selbst wenn es ihm nicht gehörte, hätte er sich ebenfalls denken können. » Jeder Einzelne von ihnen. Treibt alle zusammen, die hier im Schloss sind. Danach nehmen wir uns die Stadt vor. Wir werden das Unterste zuoberst kehren, bis mein Eigentum wieder auftaucht. Sie werden bereuen, dass sie sich mit mir angelegt haben.«
» Das könnt Ihr nicht machen!« Diese Stimme klang anders, jung und voller Leidenschaft. » Das dürft Ihr nicht! Es sind nicht Eure Reichtümer, und ich bin stolz auf diejenigen, die sie Euch fortgenommen haben!«
Konnte das der Prinz sein? Rinek streckte vorsichtig den Kopf vor und zog ihn sofort hastig wieder zurück. Er wagte nicht zu atmen.
Arian. Scharech-Par. Die Zauberin.
Was tat Prinz Arian hier, in seinem von Feinden besetzten Schloss?
» Bringt ihn weg«, befahl Scharech-Par. » Sperrt ihn ein. Wachen!«
Laute Schritte kündigten bewaffnete Soldaten an.
» Nein!«, protestierte Arian. » Wie könnt Ihr …« Er wehrte sich lautstark, hatte aber unbewaffnet keine Chance gegen die Wachen.
» Wea, du sorgst dafür, dass er nicht ebenso unauffällig verschwinden kann wie alles andere.«
» Ja, Majestät.« Die Zauberin folgte den Soldaten, die den Prinzen wegschleppten.
Scharech-Par war allein. Einen Moment lang war die Versuchung fast übermächtig, sich auf ihn zu stürzen. Rinek ballte die Fäuste und kämpfte gegen seine Wut an. Verschwinde, bevor ich mich vergesse. Geh lieber …
Der neue König machte keinerlei Anstalten zu verschwinden. Er wanderte durch den Saal, schweigend, von finsterer Wut erfüllt, und mit jedem seiner Schritte schien die Kälte
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