Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
sie sich verwandeln … da ließ sie die Hände wieder sinken. » Gah Ran?«
Der Drache bewegte sich nicht und gab Rinek auch nicht frei. Er erschauerte, und seine Stimme war diesmal weder ein Feuerwerk noch eisig, sondern merkwürdig leer, als er leise sagte: » Sion Ran.«
» Lass ihn sofort los, er gehört zu mir.«
Der Griff lockerte sich, dann hob der Drache die Tatze, verhielt ein wenig, wie eine Katze, die sich nicht recht entscheiden kann, ob es sich lohnt, mit dieser Maus weiterzuspielen, und einen Moment lang dachte Rinek: Er wird es doch tun. Er wird mich töten, jetzt erst recht.
» Gib ihn frei!«, fauchte sie. » Du willst nicht mit mir kämpfen!«
» Vielleicht doch«, sagte der Drache. » Möglicherweise will ich genau das.«
Sie starrte ihn an und warf ihr Haar zurück, und es konnte nur Magie sein, denn eigentlich war es viel zu dunkel, um sie so genau zu sehen, doch jetzt war sie schöner als alles. Rinek konnte fühlen, wie das Silber in ihrem Haar funkelte, wie ihr leises Lachen ihm ein Glücksgefühl durch den Leib jagte, von den Zehen bis zu den Haaren. Seine Haut brannte, und das Begehren erfasste ihn; obwohl Rinek immer noch halb unter der gewaltigen Pranke eines Drachen lag, vergaß er sogar, sich zu fürchten.
» Lass das«, sagte Gah Ran zu ihr. Auch er musste es spüren.
» Wie lange hast du mich nicht gesehen«, murmelte Sion, » so, in dieser Gestalt? Hast du nie vergessen, wie ich aussehe, all die Jahre nicht? Du hast keinen einzigen Augenblick gezögert, meinen Namen zu nennen. Hast du von mir geträumt, achthundert Jahre lang?«
» Länger«, flüsterte Gah Ran, die Sehnsucht brannte in seiner Stimme wie geschmolzenes Gold.
» Ach, ich vergaß. Du warst ein Verbannter. Länger als jeder von uns.«
Mit jedem Wort, so grausam es auch war, schien Sion schöner zu werden. Wie können wir sie beide lieben?, dachte Rinek. Aber wie könnte irgendjemand sie nicht lieben?
» Der edle Fürst mit dem guten Herzen. Welch Ironie, nicht wahr? Du warst menschlicher als jeder andere von uns, und ausgerechnet du bist am längsten ein Drache, und wenn Scharech-Par am Ende doch siegen sollte, wirst du ein Verbannter bleiben. Wir alle werden erlöst sein, außer dir.«
In Gah Rans Augen tobte ein Sturm, aber er bezwang sich.
» Der König hat die Verbannung bereits aufgehoben«, erklärte er. » Nach dir sucht man neuerdings, nicht nach mir. Ich diene dem ValaNaik, ich fliege im Schwarm. Ich bin über Steinhag gekreist … Die Luft riecht immer noch wie damals. Nach Stein und Schnee und dem Gold tief in der Erde. Nach Zauber. Nach uns.«
» Ein Uns gab es nur in deinen gewagtesten Träumen«, sagte Sion.
Gah Ran brüllte auf. Rinek fand sich plötzlich in einer Schneewehe wieder. Er wusste nicht, wie ihm geschehen war; der Drache musste ihn fortgeschleudert haben, rasend schnell in seiner wilden Wut.
» Ein Mensch!«, schrie er. » Muss es ein Mensch sein? Endlich bist du frei, endlich bist du erlöst, und dann wählst du ihn? Diesen hirnlosen Trottel, der Dairans Schuppe vergeudet hat?«
» Ah«, sagte Sion, » du weißt es also. Jetzt wird mir endlich klar, warum du dich so aufführst. Woher?«
Sie ging zu Rinek hinüber, reichte ihm die Hand und zog ihn hoch – weniger aus Gefälligkeit und Hilfsbereitschaft, als vielmehr in einer herrischen Geste, um etwas zu überprüfen. Trotzdem war ihre Nähe ein Feuer, das ihn in Brand setzte, und gegen seinen Willen schrie sein Herz vor Entzücken. Sie zog den Kragen seines Mantels auseinander, bevor er protestieren konnte, und berührte mit den Fingerspitzen die silberne Kette.
» Du hast uns also beobachtet. Es hat dich gestört? Nach über achthundert Jahren ärgerst du dich, wenn ich mich dieser Gestalt erfreue, auf die ich so lange verzichten musste? Wie erbärmlich du bist, Gah Ran. Du hattest nie das Recht, eifersüchtig zu sein. Flieg zu Scharech-Par zurück, sei ein braves Schoßhündchen.«
Der Drache stieß eine Rauchwolke aus, in der tausend Funken glitzerten. Dann hob er mit einem wütenden Schnauben die Flügel und warf sich in die Luft.
Sion schüttelte den Kopf. » Dieser verdammte Idiot!«
» Ihr scheint euch gut zu kennen«, bemerkte Rinek.
» Ich hatte nicht bedacht, dass du seine Schuppe um den Hals trägst. Er hat uns die ganze Zeit beobachten können. Verdammt! Dann weiß er also alles. Jeden Plan, jeden Gang im Labyrinth, er weiß über den König Bescheid, über die Ritter und über den Diebstahl …
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