Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Steuermann vor die Klippen schmettert, sondern von einem Krater, so groß wie diese Insel. Von einer Gewalt, gegen die ein Schiff nicht mehr ist als eine Fliege im Sturm. Man wird hinuntergerissen, und selbst wenn jemand das überleben sollte und den Meeresgrund zu sehen bekommt – keine Macht der Welt könnte ihn je wieder nach oben bringen. Ich fürchte, Eure Reise ist hier zu Ende.«
» Gibt es in Ghenai nicht die besten Taucher der Welt?«, fragte Linn herausfordernd.
» Wir sind ein Volk, das mit dem Meer lebt«, gab Sikken zurück. » Wir kennen es. Wir gehen mit ihm um wie auch mit den Drachen: Respektieren wir es, dann respektiert es uns. Ihm den Krieg zu erklären bringt nichts, darunter hätten nur wir zu leiden. Der weise Mensch kennt seine Grenzen. Man kann sich den Todesstrudeln nicht nähern. Sie reißen jedes Schiff in den Abgrund.«
» Vielleicht doch«, sagte Linn. » Wir bräuchten allerdings einen Zauberer dafür. Dort unten liegt möglicherweise die stärkste Magie, die es gibt – ein einziger Drache verursacht diese gewaltige Strömung! Stellt Euch das einmal vor! Wenn dieser zweite Strudel das Grab eines ValaNaik ist, dann wisst Ihr, um was für eine starke Kraft es geht. Angenommen, wir könnten lebend dort ankommen. Angenommen, wir könnten dem toten Drachen auf dem Meeresgrund ein paar Schuppen entreißen – sagen wir zwei. Eine davon benötigen wir später. Die andere könnte uns, mit dem richtigen Zauber belegt, wieder nach oben tragen. Wir brauchen nur einen Magier, der die Schuppe verzaubern kann. Er muss nicht einmal besonders stark sein.«
Sie hielt Sikkens Kopfschütteln aus. Die Augen des jungen Rakkin blitzten – er verstand bestimmt viel mehr von ihrem Gespräch, als er bisher zugegeben hatte.
» Es ist Wahnsinn«, sagte der erfahrene Seemann.
» Das ist es nicht. Ein Risiko, natürlich. Ein Spiel, das man auch verlieren könnte. Aber es klingt machbar. Vorausgesetzt, jemand bringt uns dorthin.«
» Vergesst es«, sagte Sikken streng. » Mit einer Gewalt wie dieser legt man sich nicht an. Das Meer bestraft jeden unerbittlich, der glaubt, es austricksen zu können. Ich gewähre euch Gastfreundschaft für diese Nacht, doch morgen solltet ihr wieder auf das Schiff gehen, das euch hergebracht hat.«
Die Mahlzeit war beendet. Sie erhoben sich von den weißen Stühlen.
» Was war in der Suppe?«, fragte Linn.
» Wie meint Ihr das?«
» Die Drachenzauberer kennen ein Wort, mit dem man jemanden zwingen kann, die Wahrheit zu sagen. Bei euch Kräuterzauberern wird es sicherlich etwas Ähnliches geben.«
» Was veranlasst Euch zu der Annahme, ich hätte einen Zauber eingesetzt?«, fragte Sikken.
» Ihr habt kein einziges Mal an unseren Worten gezweifelt«, sagte sie.
Er lächelte. » Dort hinter dem Vorhang sind Matten und Decken, die Ihr benutzen könnt. Eine gute Nacht.«
Zuerst wusste Linn nicht, was sie geweckt hatte. Dann erkannte sie Rakkin. Nival packte schon ihre Sachen zusammen.
» Leise«, flüsterte der junge Ghenaier. » Kommt mit.«
Sie schlichen aus dem Haus. Über dem Berg ging die Sonne auf und tauchte den Himmel in ein blasses Rosa.
» Wir sollten uns beeilen«, sagte Rakkin. » Mein Vater bringt es fertig, uns alle seine Freunde hinterherzuhetzen, um mich zu retten.«
» Euch zu retten?«
» Vor dieser übergroßen Dummheit, die Ihr mir eingeredet habt.« Er grinste. » Wenn er nicht sogar glaubt, Ihr hättet mich bedroht oder entführt. Er ist sich nicht darüber im Klaren, dass ich besser Schennisch spreche als er.«
» Warum helft Ihr uns?«, fragte Nival, während sie hinter Rakkin her zum Bootsanleger hasteten.
» Ihr habt nichts als die Wahrheit gesagt. Über Euer Ziel und wie man es erreichen könnte. Wie kann man sich so eine Gelegenheit entgehen lassen, auf den Grund des Meeres zu blicken? Dort unten müssen Dutzende von Schiffswracks liegen. Schätze, deren Reichtum alles übersteigt, was man hier an Korallen aus den Riffs ernten kann.«
Er führte sie an drei großen Schiffen vorbei, die im Hafen lagen, dorthin, wo die kleineren Boote der Taucher am flach abfallenden Strand im niedrigen Gras warteten. Boote wie diese hatte Linn noch nie gesehen. Nicht, dass sie sich mit dergleichen ausgekannt hätte, aber in Wondun hatten sie eine Weile verbracht, bevor sich die Mitfahrgelegenheit ergeben hatte, und sie hatte ein paar Tage lang die Fischer beim Ausfahren beobachten können. Dass Boote aus Holz gefertigt waren, hatte sie inzwischen als
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