Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
diesmal aus Wasser und Nacht.
» Wir kommen!«, rief Nival. » Warte auf uns, mein Prinz, mein Held, großer Drachentöter! O wunderbarer Drache!«
Immer tiefer hinunter ging es, immer schneller, während die Zeit stillzustehen schien, während das Meer über ihnen wuchs wie ein Berg und sie sich dem Grund des Meeres näherten, dem Ende aller Dinge – Larans Grab.
Dann war auf einmal alles dunkel. Fielen sie? Schwebten sie? Oder hatten sie aufgehört, sich zu bewegen? Die Stille war so umfassend, so groß und schwer, dass Linns Ohren schmerzten.
Hier, bei mir … Nicht in Jagor, nicht in Tijoa, nicht in Schenn. Hier, bei mir, hier …
Sie hörte die Worte in ihrem Herzen, und eine unerklärliche Ehrfurcht ergriff sie.
» O mein Prinz«, flüsterte Nival, Jubel zitterte in seiner Stimme, » mein herrlicher Prinz.«
Licht glomm vor ihnen auf. Ganz langsam – oder war es schon die ganze Zeit dagewesen? Durch die Wände des Bootes, die wie aus Glas waren, sah Linn hinaus in eine fremde, stille Welt.
Dort lagen die Schiffswracks, auf die Rakkin sich so gefreut hatte. Kaum eins von ihnen schien beschädigt. Es sah aus, als hätten sie hier auch einen Schiffsfriedhof gefunden – überall auf dem weiten Meeresgrund verstreut lagen sie, auf der Seite oder stolz aufgerichtet, hier und da waren sogar noch die Segel intakt und blähten sich in einer unsichtbaren Brise. Doch Linns Augen wurden von etwas anderem angezogen, von der Quelle der Stille und des Sturms, der Magie und des Lichtes, des Brausens und der Dunkelheit. Auf dem Grund, den Sand und Goldmünzen bedeckten, Schätze, die ein Schiff nach dem anderen hier verloren hatte, lag ein Drache.
Er schien zu schlafen, eingerollt wie eine Katze, die Flügel angelegt. Nachtschwarz war er, schwärzer als der Nachthimmel, dunkler als die finsterste See, ein Drache, größer als jeder andere, von einer Magie überschattet, die ihr wie heiße Süße durchs Herz flutete. Er war schön wie ein Gott, und sie verstand, warum Dairan ihn nicht hatte verbrennen können, warum er ihn hergebracht hatte, sein totes Kind, das er in ein Bett aus Gold legte und mit dem Meer zudeckte, unter dem Mond und den Sternen. Vor seinen gewaltigen Pranken, mit denen er die Sonne vom Himmel hätte holen können, lag eine goldene Maske, wie ein Spielzeug, das ein Vater seinem Sohn für bessere Träume überlässt.
» Lar Ran ValaNaik«, flüsterte sie.
Nicht am Ende der Welt, nicht am Ende der Reise, sondern hier, vor dir, von Angesicht zu Angesicht … Drachenprinz, der die Welt in Flammen aufgehen ließ.
In diesem Moment zerbrach die Kapsel.
Es geschah ohne Vorwarnung. Eben noch hatte die schützende Hülle die drei Menschen umgeben, sie hatten Luft geatmet und der Stille zugehört, und kein einziges Mal hatte sie darüber nachgedacht, ob Rakkin dafür einen Zauber benutzte, der verfliegen könnte. Dann war da nur noch Wasser. Kälte. Nach wie vor konnte Linn alles sehen, nach wie vor waren die Schiffe da und das Gold und der schwarze Berg von einem Drachen, dann verwandelte sich alles in ein einziges großes Grab, in dem sie mit ihm eingeschlossen waren.
Nival berührte ihr Gesicht. Seine Haare wogten wie Algen um ihn her. Sie wollte lachen, so fremdartig sah er aus, die grüne Maske über den Augen. Gold rann ihm in Bächen über die Haut. Seine Lippen bewegten sich.
Caness, dachte sie. Drachenstaub. Dairans Drachenstaub.
Warum denke ich das? Bin ich nicht tot? Was hat Nival damit angestellt?
Sie sah, wie Nival auf den Drachen zuschwamm, wunderte sich über das Gefühl, das auf ihren Wangen zurückgeblieben war, und tastete danach. Goldstaub flirrte durch das Wasser. Auch sie trug eine Maske, eine andere, die nicht weich war, sondern glatt und fest.
Nival hatte inzwischen den toten Laran erreicht. Mit bloßen Händen berührte er den gewaltigen Leib, und sie dachte: Nicht einmal eine Dornlanze könnte etwas gegen ihn ausrichten. Wir dürfen nicht … Doch dann sah sie, wie Nival eine Schuppe in der Hand hielt, glänzend schwarz wie geschmolzene Nacht.
» Hier bin ich«, flüsterte die Stimme in ihrem Herzen. » Hier. Wer bist du, Mädchen? Willst du singen? Willst du tanzen? Willst du Träume, willst du die Bilder sehen und alles verstehen? Hier bin ich. Du und ich. Wir.«
Was?, wollte sie fragen. Wer spricht da?
Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass sie näher geschwommen war, vielleicht hatte die Strömung sie zu ihm getragen, so wie alles zu dem ValaNaik getragen wurde, alles
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