Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Mantel verbarg seinen Holzfuß, dessen lange Krallen sich unter dem Saum hervorwanden. Er merkte es gerade noch rechtzeitig, um die Zehen wieder einzuziehen.
» Ich will in den Hügeln nur ein paar Gräser unter dem Schnee suchen. Früchte wären noch besser, für mein Schwein.«
» Du hast ein Schwein?«, fragte der Wächter. » Glücklich bist du. Die meisten haben nicht einmal mehr das. Daran werden wir die Königin messen, wie sie uns durch den Winter bringt.«
Rinek nickte dem Mann zu und ging weiter. Das hörte sich nicht gut an. Chamija beanspruchte also schon den Thron? Das Verschwinden der Fürsten machte ihm Sorgen. Zu normalen Zeiten hätten die Lanhannater niemanden ohne Brahans heiliges Blut akzeptiert, doch in diesem Chaos ging es nur noch darum, die eigene Haut zu retten.
Er tastete in seiner Manteltasche nach einem Splitter. Um im Bedarfsfall immer etwas zum Zaubern zu haben hatte er das Drachenhorn zertrümmert. Heute würde er den Eingang in den Berg finden, wo Chamija ihren Drachen versteckte.
Hier war es gewesen, zwischen den jetzt schneebedeckten Hügeln, an diesem Hang. Rinek murmelte das Wort für Licht und hielt den Splitter wie eine Fackel vor sich. Er hatte auf Spuren gehofft, aber es gab leider keine. Um die Öffnung zu entdecken hätte er ein riesiges Feld vom Schnee befreien müssen. Da war es ja noch besser zu zaubern. Er forschte in seinem Gedächtnis nach dem passenden Zauberwort und fand doch nur wieder dieses eine, das für Erleuchtung stand.
» Qui Ebon.«
Der Span in seiner Hand flackerte heller auf und offenbarte mehrere Vertiefungen im Schnee. Die Umrisse eines Tors oder einer halb schräg in den Hang eingelassenen Luke.
Der Öffnungszauber: » Diarai Erim.«
Die Flügel schwangen auf.
Er schritt hindurch und befahl ihnen, sich hinter ihm zu schließen.
Der Drache wirkte auf den ersten Blick tot. Er lag da wie ein zerbrochener Felsen, die schillernden Schuppen an so vielen Stellen entfernt, dass seine Dunkelheit größer war als sein Funkeln, eine schmerzende Leere, die Abwesenheit des Panzers wie ein Himmel ohne Sterne.
Doch in der Stille hörte Rinek den schweren, schnaufenden Atem des verletzten Ungeheuers.
» Ich bin es«, sagte er.
Ein großes, rundes Auge öffnete sich. Ein Blick wie aus den Tiefen der dunkelsten Nacht. Schweigen.
» Wie geht es dir?«
» Was kümmert es dich, wie es mir geht?« Die Stimme klang müde und kraftlos, und doch glühte darin ein Feuer, das sich nicht auslöschen ließ, solange die mächtige Bestie lebte. » Bist du nicht der Unsichtbare, der sich geweigert hat, meine Fesseln zu zerschneiden?«
» Du hattest die Stadt angegriffen«, erklärte Rinek, den die Qual des Drachen mehr mitnahm, als er sich selbst eingestehen wollte. Warum war er hier? Warum war das Erste, sobald er über die Möglichkeit zu zaubern verfügte, der Gang hierher gewesen? In den verschneiten Straßen Lanhannats litten und starben die Menschen, trotzdem hatte ihn der Gedanke an den gefolterten Drachen nie losgelassen. » Du warst der Feind. Aber jetzt … Ein Gefangener sollte nicht so behandelt werden. Ich bin gekommen, um dich loszuschneiden, Sion Rah. Oder Sion Ran? Wie soll ich dich nennen?«
» Was spielt das für eine Rolle?«, stöhnte der Drache. » Nichts davon bedeutet etwas in deiner Welt, Mensch. Die Hexe verbreitet meine Macht dort draußen und feiert ihren Sieg. Ich werde nie wieder fliegen können. Ich sterbe nicht schnell, aber wie soll ich so existieren, zwischen Leben und Dahinsiechen? Wenn du wüsstest, was der Name Ran bedeutet, würdest du es für mich beenden, um mir diese Schmach zu nehmen.«
» Erkläre es mir.«
» Ha! Dir, Herzdieb? Wozu?«
Rinek griff nach dem Strick, der sich um den Kopf des Drachen wand, und spürte ein seltsames kaltes Gefühl.
» Was ist das? Es ist voller Magie.«
» Was an dir besteht aus Drachenzauber?«
Rinek hob seinen Mantel und zeigte dem Drachen seinen knorrigen Fuß. » Das. Behandelt mit etwas …«
» … das das Herz eines Drachen enthielt.« Sion Rah fletschte die Zähne. » Ihr lebt von unserem Tod! Verflucht seist du!«
» Woher weißt du das?«, fragte Rinek. » Was hat das mit diesen Seilen zu tun?« Entschlossen schnitt er eins der Bänder entzwei. Es flatterte zu Boden. Ein buntes Tuch mit hübschen Mustern. » Was sind das für Fesseln?«
» Seide«, flüsterte der Drache. » Sie lähmt dich. Sie fesselt dich. Sie ist kalt auf der Haut und kriecht bis in dein Herz. Eisig. Als
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