Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Familie, ganz gewiss wollen wir Euch nichts Böses. Wir dachten nur … da Ihr sie so gut gekannt habt …«
» Sie ist nicht meine Freundin«, beharrte die Töpferin und schüttelte verwundert den Kopf. » Verbannt oder nicht, ich habe nichts mit ihr zu schaffen.«
» Danke sehr. Komm, Agga. Ich habe sowieso kein Geld dabei.«
Rinek wollte Einwände erheben, aber Mora fasste ihn am Arm und zog ihn weiter.
» Das hätten wir uns denken können«, sagte er. » Die Frau will nicht zugeben, dass sie etwas mit einer Verbannten zu tun hatte. Aber jemand, der so viel Angst hat, würde uns ohnehin nicht bei sich aufnehmen.«
» Ich bin mir gar nicht sicher, ob sie lügt«, murmelte Mora. » Nein, mir schien sogar, sie sagt die Wahrheit. Das würde bedeuten, dass Linnia gelogen hat.«
» Warum sollte meine Schwester eine Freundin erfinden?«
Die Zauberin machte ein nachdenkliches Gesicht. Vielleicht tat es ihr sogar gut, sich mit diesem Rätsel von ihrem Kummer abzulenken. » Abend für Abend ist sie ausgegangen – angeblich hierher. Aber wenn sie nicht hier war, wo war sie dann? Mit wem?«
» Wollt Ihr etwa andeuten, sie hatte einen Geliebten?«
» Nein«, wehrte Mora ab, » keineswegs, nur …«
» Ich bin da nicht so empfindlich, wie Ihr vielleicht glaubt, Frau Mora«, sagte Rinek. » Jahrelang von Yaro getrennt … Glaubt Ihr, ich würde irgendjemanden verurteilen? Ich habe bitter gelernt, dass das Leben nicht immer so einfach ist, wie wir es gerne hätten.«
» Ich kann das beim besten Willen nicht glauben.« Mora sank in sich zusammen, während sie versuchte, die neue Wahrheit zu verkraften. » Sie hat immer so brav getan …«
» Meint Ihr?«, mischte Agga sich ein. » So wie sie und Nival sich andauernd mit den Augen verschlungen haben, wundert mich gar nichts.«
» Nival?«, ächzte Mora. » Du meinst doch wohl nicht, unsere Linnia und mein Nival? Sie war verlobt! Sie ist ein anständiges Mädchen! Und mein Neffe ist … war …«
Tränen liefen ihr über die Wangen, Agga stützte sie rasch, als sie gegen eine Hauswand sank und sich unter unhörbaren Schluchzern krümmte.
» Tut mir leid«, meinte Agga, » o bitte, Frau Mora, ich wollte gewiss nichts Schlechtes über ihn sagen. Ist Euch denn nie aufgefallen, wie die zwei zueinander standen?«
» Ich hab ihn aus ihrem Zimmer geschickt.« Mora wischte sich über die Augen. » Ich habe es ihnen verboten! Sie hätten mich doch nie hintergangen? Er ist ein braver Junge, er … er ist tot. Nival ist tot«, murmelte sie untröstlich.
» Er war kein Junge, sondern ein Mann«, widersprach Agga. » Sie waren beide keine Kinder mehr, und sie sind … waren … beide außergewöhnlich. Was dachtet Ihr denn? Dass Ihr Euch zwischen sie stellen könnt, während ihre Herzen füreinander entbrannten? Wie dumm seid Ihr, dass Ihr glaubt, Eure Macht hätte etwas dagegen ausrichten können?«
Verwundert starrte die Zauberin das Dienstmädchen an. » Wie redest du denn mit mir?«
» Entlasst mich doch, wenn Ihr wollt«, knurrte Agga. » Bezahlen könnt Ihr mich sowieso nicht mehr. Und wenn Ihr mich nicht bezahlt, bin ich bloß eine Freundin, die mit drinsteckt. – Was glotzt Ihr so, Rinek? Nehmt dieses Grinsen aus Eurem Gesicht. Merkt Ihr denn nicht, dass Ihr Mora verletzt mit diesem unpassenden Lächeln? Habt Ihr denn überhaupt kein Gespür für geeignete Gesichtsausdrücke?«
» Äh, aber …«
» Begreift Ihr nicht, warum sie so außer sich ist? Dass ihr Neffe sie so hintergangen hat, und nun ist er tot, und sie kann ihn nicht einmal bestrafen!«
» Agga!«, fuhr er sie an. Seine Augen waren auf einmal dicht vor ihren, und er spürte ihren Atem auf seinem Gesicht.
Mora trat einen Schritt zurück. Sie hob die Hände. » Drehen jetzt alle durch? Kommt, ihr zwei. Ich bin nicht immer blind für entbrannte Herzen, glaubt das ja nicht. Mein Leben ist zu Ende. Ich habe meine Schwester sterben lassen. Ich habe meinen Neffen elendiglich umkommen lassen. Aber wenigstens einmal werde ich etwas richtig machen. Irgendwo in dieser Stadt rennt ein unsichtbarer König herum oder liegt verwundet in einem Winkel – oder ist sogar tot. Wir brauchen dringend eine Drachenschuppe. Wir brauchen einen Plan, um Chamija zu vernichten.«
Die Löscharbeiten dauerten viele Tage, das Aufräumen noch länger. Sturm mit Eisregen ließ die Einwohner Lanhannats frieren, während sie sich abmühten, so viel wie möglich zu retten. Chamija hatte das Kommando übernommen, worüber in der Stadt
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