Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Boden. Das Schwert, wie stets von Laio sorgfältig auf Hochglanz gebracht, lag funkelnd vor ihr. Ein Schauer durchlief sie. Dies war der Augenblick, die Zauberformel zu sprechen. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und merkte dabei, dass ihre Hände zitterten. Sie hatte Angst. Sie erinnerte sich an ihren ersten Versuch, den Unauslöschlichen Schatten hervorzubringen. Was, wenn es ihr nicht gelang, den Zauber unter Kontrolle zu halten? Wenn sie in einen Abgrund stürzte und den Verstand verlor?
Sie schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Leere deinen Geist. Ihr Herz verlangsamte seinen Rhythmus. Leere deinen Geist. Ihr Atem ging regelmäßiger. Erst jetzt entzündete sie das Blaue Licht. Sie beobachtete dieses Feuerchen, als sehe sie es zum ersten Mal: eine kugelige Flamme von einem zarten, unschuldigen Blau.
Nun erst hob sie mit rauer Stimme zu dem Sprechgesang an, und die infernalischen Bilder ließen nicht auf sich warten. Verzerrte Gesichter und deformierte Glieder rasten auf sie zu und ergriffen sie. Vrasta Anekhter Tanhiro. Vrasta Anekhter Tan-hiro. Gellende Schreie und heiseres Gelächter explodierten in ihrem Schädel. Vrasta Anekhter Tanhiro. Nihal fühlte sich wie in ein Leichentuch finsterer Mächte gehüllt. Sie zwinkerte mehrmals, aber egal, ob sie die Augen geöffnet oder geschlossen hatte, die entsetzlichen Bilder wichen nicht, und als das Grauen nicht mehr auszuhalten und der Wahnsinn schon ganz nahe war, fiel sie zurück und klapperte mit den Zähnen. Sie spürte - gleich würde sie das Bewusstsein verlieren. Da schrie sie auf, schrie und schrie und riss sich so mit schier übermenschlicher Anstrengung aus der Finsternis los.
Als sie, in kalten Schweiß gebadet, die Augen aufschlug, drehte sich die schwarze Kugel langsam in ihrer Handfläche. »Was ist das denn?«
Wie ein Raunen drang Laios Stimme an ihr Ohr. Der Knappe stand im Zelteingang und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Mit bleichem Gesicht saß Nihal aufrecht in der Mitte des Zeltes, die Augen verdreht und den Kopf im Nacken. Das unnatürliche Licht grub tiefe Schatten in ihr Gesicht. »Ich hab dich schreien hören«, murmelte er. »Deswegen wollte ich nachsehen und ...«
Auch er war blass, so blass, dass sich sein Gesicht fast strahlend vor dem dunklen Hintergrund des Zeltes abhob.
»Schon gut, es ist alles in Ordnung«, beruhigte ihn Nihal mit gedämpfter Stimme, während der Unauslöschliche Schatten in ihrer Handfläche brannte.
Sie streckte die Hand zum Schwert aus, und die Kugel verschwand in der Klinge, verschmolz mit dem schwarzen Kristall. Dann stand sie auf, immer noch von einem Zittern geschüttelt, das sie nicht zu beherrschen vermochte. Sie war schockiert, wie erschlagen von dem, was sie in der kurzen Zeit gesehen hatte. Immer, wenn sie aus diesem Abgrund wieder auftauchte, blieb ein Teil von ihr dort unten zurück. Sie trat auf Laio zu und umarmte ihn.
»Was war denn los?«, fragte er verwirrt.
»Ich hab eine Zauberformel gesprochen. Die ist nicht leicht ... und tut ganz schön weh.«
Laio schwieg und streichelte ihr ungelenk den Rücken.
Als sie sich wieder ruhiger fühlte, machte sich Nihal von ihm los und versuchte, seinem Blick auszuweichen, doch Laio ergriff ihren Arm. »Was für eine Formel, Nihal?«
»Laio, vertrau mir. Es gibt keinen anderen Weg, um Dola zu besiegen. Es wird schon alles gut gehen«, wich sie aus.
»Wie soll ich das glauben? Als ich ins Zelt kam, sahst du aus wie ... das warst gar nicht du. Du sahst aus wie ein Gespenst, Nihal!«, erklärte Laio, während er sie weiter aus großen Augen anblickte.
Nihal ließ sich auf das Feldbett fallen und nahm die Hände vor das Gesicht. Sie zitterten immer noch. »Ich brauche deine Unterstützung, Laio. Ich muss wissen, ob du mir vertraust und ob du glaubst, dass ich es schaffen kann.«
Der Junge sagte nichts. Er setzte sich nur neben sie und legte einen Arm um ihre Schultern. Als die Truppen die Anhöhe hinter dem feindlichen Lager erreicht hatten, wandte sich Nihal an den Kommandanten.
»Also alles wie besprochen. Ihr haltet mir den Rücken frei, während ich Dola ablenke.« Der Kommandant nickte.
Nihal klappte das Visier runter, und plötzlich klang alles gedämpft. Es war Zeit zum Angriff. Es war Zeit, zu höchster Konzentration zu finden und alles andere, jeden Gedanken, der nichts mit dem Kampf zu tun hatte, hinter sich zu lassen. Der Kommandant hob sein Schwert, und als er es sinken ließ, schwangen sich Nihal und
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